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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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dieser Herr von Berlichingen? Soll ich den Treck anhalten lassen, bis die Sache bereinigt ist?«
»Beim Heiligen Raphael, nein!« Nun hoben sich die Mundwinkel des Notars. »Ihr seid Kaufmann. Jeder Zeitverlust kostet Euer gutes Geld. Und dies ist nicht im Sinne des Ritters und entspricht schon gar nicht den Vorstellungen meines gnädigen Herrn.« Lächeln hellte das längliche Gesicht weiter auf. »Selbstverständlich soll Euer Transport weiterziehen. Ich schlage auch vor, dass Eure Männer vom Umstand des Überfalls nicht unterrichtet werden. So entsteht keine unnötige Unruhe. Ihr kommt mit uns nach Frankfurt. Mein Herr sorgt in seiner großen Weisheit für einen Vergleich. Hernach übergebt Ihr dem ehrenwerten Herrn von Berlichingen die festgesetzte Summe und seid spätestens morgen Abend wieder bei Euren Leuten.«
»Da sind wir vier Monate unterwegs. Vier lange Monate von Italien herüber. Seide, Porzellan, Gewürze. Und ausgerechnet so kurz vor dem Ziel …« Dem Kölner perlte Schweiß von der Stirn. »Schon gut, ich weiß, es nutzt mir nichts. Und was sag ich den Männern jetzt? Ich kann doch nicht einfach wegreiten. Sicher habt Ihr auch dafür einen passenden Rat zur Hand.«
»Zu Diensten. Sagt Ihnen, dass Ihr für einen Tag nach Frankfurt zurückmüsst. Ein lohnender Geschäftsabschluss wartet.« Elegant vollführte der Notar vom Sattel aus eine Verbeugung. »Und das ist es doch. Nicht wahr? Nur ein Geschäft.«

14

Z um dritten Mal griff der Stubenmeister nach dem kurzen Lederstrick und läutete die Glocke über dem Schanktisch. »Geht endlich heim!« Im Grünen Baum roch es nach abgestandenem Bier und Wein, Qualm der ausgeblasenen Kerzen und Öllampen ließ die Augen tränen. Der Saal hatte sich schon vor einer Stunde geleert. Nur hinten neben dem Fenster hockten noch zwei Spieler. »Hört ihr nicht!«
Domherr Paulus Schroter wandte kurz den Kopf. »Gleich. Noch ein Spiel.« Schweiß stand ihm auf der Stirn, er stierte sein Gegenüber an. »Verdoppeln. Wir verdoppeln auf einen Gulden.«
»Aber, ehrwürdiger Freund, nicht auszudenken, wenn Ihr den goldenen Kilian auch noch verliert. Wir sollten Vernunft walten lassen.« Hans Bermeter vermochte das Grinsen kaum zu unterdrücken, ölig fuhr er fort. »Ich bin ernstlich besorgt um Euch. Zwölf Schillinge Einsatz genügen doch auch.«
»Komm mir nicht so!« Zorn trieb dem angetrunkenen Domherrn das Blut ins Gesicht. »Willst du dich drücken? Erst nimmst du mir zweieinhalb Gulden ab und jetzt … Nein, so kommst du mir nicht davon. Verdoppeln, sag ich.«
»Ihr bestimmt, Herr …« Dem Stadtpfeifer gelang sogar ein ängstlich unschuldiger Blick. » … und ich gehorche.« Er zählte 24 Schillingstücke auf die Tischmitte.
Fahrig griff Paulus Schroter in seinen Lederbeutel und schob einen Gulden dazu. »Fang an.«
Die Würfel schepperten im blechernen Becher; gleich die erste Folge brachte Bermeter schon sieben Punkte; der Domherr konnte bis auf sechs nachlegen. Lauter knallte die Glücksbüchse auf den Tisch, kein Wort wurde mehr gesprochen, nur Aufstöhnen und das Zischen des Atems zwischen den Zähnen schilderten den Stand des Spiels. Wieder ließ Bermeter den Becher niederfahren, wartete nach dem Aufschlag einen Atemzug, dann enthüllte er die Augen. »Zweimal die Punktzahl macht zusammen fünfzehn. Ich hab den Bock.«
»Ich schaffe ihn auch, dann geht’s weiter. Na, warte!« Wild griff der Domherr nach den beinernen Klötzchen, verzichtete auf die Blechbüchse, rüttelte das Schicksal in beiden Händen und warf es auf den Tisch. Schweigen. Er wischte sich übers Kinn den Hals hinunter und zerrte am Hemdkragen.
Langsam beugte Bermeter den Oberkörper vor, seine Rechte umschloss den Dolchgriff, langsam schob er die Linke über die Holzplatte auf den Einsatz zu, dabei ließ er den Verlierer nicht aus den Augen. Als seine Fingerkuppen die Münzen berührten, sagte er sanft: »Es tut mir leid, aber der Bessere gewinnt. So ist das nun mal im Leben.«
»Verfluchter Halunke.« Gefährliches Knurren entrang sich dem Domherrn. »Wag es nicht, mich zu verhöhnen!«
Unbemerkt war der Stubenmeister herübergekommen, hatte den Ausgang des Spiels beobachtet, und ehe sich ein Streit entfachen konnte, befahl er: »Raus jetzt! Sonst rufe ich die Scharwächter. Sie sind gerade von ihrem ersten Rundgang zurück.« Er wandte sich an den Stadtpfeifer. »Du solltest möglichst leise verschwinden. Auf dich sind die Männer ohnehin schlecht zu sprechen.« Ohne jeden Respekt zog

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