Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)
zum Golfen nach England flogen. Sie sprachen über Golfplätze, Hotels und Restaurants. Es war so normal, dass sie ganz kribbelig wurde. Diese Leute unterhielten sich ernsthaft über derart banale Themen, während ihr Sohn entführt worden war.
Sie stand auf, ging zum Schalter und erkundigte sich, ob der Flug pünktlich gehen würde. Man sagte ihr, das Boarding werde in wenigen Minuten beginnen.
Sie war etwas erleichtert.
Zum hundertsten Mal, seit sie das Hotel verlassen hatte, rief sie Friend Mapper auf, doch Tylers roter Punkt verharrte an derselben Stelle, in der Nähe der Einfahrt zur Tiefgarage.
Warum? Was machst du nur da?
Wieder schossen ihr die Tränen in die Augen. Es war über eine Stunde her, dass sie mit DS Branson gesprochen hatte. Sie fragte sich, ob sie ihn noch einmal anrufen sollte, bevor sie an Bord ging.
Andererseits hatte er versprochen, sich bei ihr zu melden, sobald er Neuigkeiten hatte, und sie glaubte ihm; er schien zuverlässig zu sein. Und wenn er nicht durchgekommen war? Der Flug dauerte sieben lange Stunden. Wie zum Teufel sollte sie sieben Stunden ohne eine Nachricht von ihrem Sohn durchstehen?
Sie hatte keine neue SMS erhalten. Keine Nachricht von DS Branson. Also rief sie ihn auf dem Handy an, und zu ihrer Erleichterung meldete er sich umgehend.
»Hier ist Carly. Ich bin auf dem Kennedy Airport und werde gleich an Bord gehen. Daher wollte ich mich noch mal kurz melden.«
»Sicher. Alles klar bei Ihnen?«
»Geht so.«
»Wir haben Ihre Flugdaten und werden Sie nach der Landung abholen.«
Seine Stimme klang seltsam, als verberge er etwas vor ihr. Außerdem schien er es eilig zu haben.
»Es gibt – also – nichts Neues?«
»Noch nicht, aber wir hoffen, dass wir später etwas für Sie haben. Sämtliche Polizeibeamten im ganzen Land suchen nach Tyler. Wir werden ihn finden.«
»Mir kam eben eine Idee. Falls es – ich meine während des Fluges – falls es da etwas Neues geben sollte, könnten Sie dem Piloten eine Nachricht übermitteln?«
»Ja, das ist möglich. Wir werden eine ACARS-Textnachricht durchgeben. Die meisten Langstreckenflugzeuge verfügen über Satellitentelefone im Cockpit. Sobald es etwas Neues gibt, lasse ich es Sie wissen. Okay?«
Sie bedankte sich und schaltete aus. Dann hörte sie den Aufruf. Sie rollte ihre Reisetasche zu der rasch anwachsenden Warteschlange, während sich ihr Inneres zunehmend verkrampfte.
Sieben Stunden.
Sieben Stunden Wartezeit.
Carly zeigte Reisepass und Bordkarte vor und ging weiter, umhüllt von Lautlosigkeit, einsamer und verängstigter als je in ihrem ganzen Leben.
Als sie im Gedränge des Gangs stand, meldete ihr Handy eine eingehende Nachricht. Ihr Herz machte einen Sprung, und sie schaute begierig aufs Display. Enttäuscht sah sie, dass die Nachricht von der Telefongesellschaft kam und sie warnte, dass ihr Auslandslimit von fünfzig MB fast erreicht sei.
Sie löschte die Nachricht und suchte ihren Platz. Zumindest den Teil davon, der nicht von einem fetten, vor Schweiß triefenden Mann belegt wurde, der aussah, als hätte er die Schallgrenze von zweihundertfünfzig Kilo locker durchbrochen.
Als wäre ihr Tag nicht schon schlimm genug, saß sie eingequetscht auf ihrem Platz, die Ellbogen unangenehm gegen die Brust gedrückt, während sie am ganzen Körper vor Angst zitterte.
Der Angst, ihren Sohn nicht mehr lebend wiederzusehen.
92
TYLER HATTE KOPFSCHMERZEN und befand sich in völliger Dunkelheit. Er konnte weder etwas sehen noch Arme und Beine bewegen. Er hatte Angst und war verwirrt; er wusste, das hier war kein Spiel, etwas Schlimmes passierte gerade mit ihm.
Er spürte, wie der Wagen sich bewegte. Es roch stark nach Teppich und Plastik, wie in einem neuen Auto. Kürzlich war er mit einem nagelneuen Hyundai gefahren, der einer Freundin seiner Mutter gehörte, darin hatte es genauso gerochen. Da war auch so etwas wie Gummi. Er hörte ein Summen. Vermutlich lag er im Kofferraum des Taxis. Der Wagen bremste und beschleunigte. Er konnte nur seine Knie ein wenig beugen und strecken. Er versuchte, sie gegen etwas Festes zu stemmen, um Halt zu gewinnen, doch dann wurde er nach hinten geschleudert und rollte herum, bis er gegen etwas Hartes stieß.
Er wollte den Fahrer rufen, ihn fragen, wohin sie fuhren, aber er konnte den Mund nicht öffnen.
Nachdem die beiden Polizeibeamten bei ihnen zu Hause aufgetaucht und seine Freunde gegangen waren, war seine Mutter in sein Zimmer gekommen und hatte ihm erzählt, dass schlimme
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