Riley - Die Geisterjägerin - Noël, A: Riley - Die Geisterjägerin - N.N. 4 (nach "Radiance" - The Riley Series)
Ganz gleich, wie dieser Tag endet, er darf niemals in Vergessenheit geraten, denn das käme einem Verbrechen gleich.«
»Nun gut, wenn er überlebt, werde ich der Erste sein, der ihn gebührend lobt«, erwiderte Dacian, ohne auf Messalinas Ton zu achten oder auf das Entsetzen, das sich bei seinen Worten auf ihrer Miene abzeichnete. »Und wenn nicht …« Er grinste, ließ seinen Blick zwischen uns hin und her schweifen.
»Nun, das bleibt abzuwarten, nicht wahr?« Messalinas Bemerkung entlockte Dacian ein sarkastisches Lachen, und ich schwieg dazu.
Ich war weg.
Verschwunden in einem Nebel, den ich nicht durchdringen konnte.
Ich hatte das Gefühl, in zwei verschiedene Richtungen gezerrt so werden, so als wäre ich in ein unsichtbares, heftiges Tauziehen geraten, ohne zu wissen, wer an den Seilenden zog und welche Seite ich unterstützen sollte.
»Aurelia? Alles in Ordnung?« Messalina beugte sich besorgt über mich.
Aurelia. Das war ich. So wurde ich von allen genannt.
Oder etwa nicht? Ich war mir plötzlich nicht mehr sicher.
Messalina legte einen Finger unter mein Kinn und hob mein Gesicht an, so dass sie mir direkt in die Augen schauen konnte. Sie zupfte mein Haar zurecht und steckte eine lose Haarsträhne fest, bevor sie mir mit einem kühlen Finger über die Augenbrauen strich. Bei ihrer Berührung hob sich sofort der Nebel, die Sonne
brach durch die Wolken, und ich konnte alles wieder klar sehen.
»Alles in Ordnung?«, wiederholte sie und betrachtete mich prüfend.
Ich schaute mich in der riesigen Arena um und ließ meinen Blick über die Zehntausende jubelnder Zuschauer wandern, überzeugt davon, dass jeder einzelne von ihnen alles dafür geben würde, seinen Platz mit mir zu tauschen. Überzeugt davon, dass sie sich alle danach sehnten, hier zu sitzen, umgeben von Luxus und Komfort, Bergen von Essen und einem unbegrenzten Vorrat an Getränken, in der Gesellschaft reicher und einflussreicher römischer Aristokraten – ganz zu schweigen von dem unglaublich süßen Jungen, der direkt neben mir saß.
Ich wandte mich wieder Messalina zu, und in meiner Stimme lag tiefe Dankbarkeit. »Alles ist großartig. Einfach perfekt. Und das verdanke ich dir.«
ELF
V erwirrt beobachtete ich die Parade, die den Auftakt zu den Spielen darstellte. Ich war überrascht davon, wie merkwürdig ruhig, beinahe ehrfürchtig sich die Menge verhielt, doch Dacian erklärte mir, dass es sich hierbei um eine Gelegenheit handelte, bei der die Waffen inspiziert sowie die Gladiatoren vorgestellt wurden und des toten Kaisers gedacht wurde. So konnte sich die Menge alle noch einmal genau anschauen, denn, wie die Zuschauer wussten, würde mehr als die Hälfte am Ende des Tages nicht mehr leben.
Als dieser Teil vorüber war, öffneten sich die Tore, und ein Rudel wilder Raubkatzen stürmte in die Arena. Zuerst brüllten sie voll Angst, unsicher, was sie in dieser neuen Umgebung erwarten würde, doch es dauerte nicht lange, bis sie sich daran gewöhnt hatten, ihre Instinkte die Überhand gewannen und sie sich auf Beutefang begaben – und schließlich die armen, unglückseligen Gefangenen einen nach dem anderen verschlangen.
Die Menge johlte, stampfte und klatschte begeistert in die Hände, während sie beobachtete, wie etliche Menschen
zerfetzt und ausgeweidet wurden, in blutige Stücke gerissen und in einen Kampf getrieben, den sie auf keinen Fall gewinnen konnten.
Und das Publikum grölte ebenso, als später dieselben Raubkatzen von Gladiatoren, die speziell dafür ausgebildet waren, gejagt und getötet wurden.
Nach vielen Stunden des unablässigen Blutvergießens, nach stundenlanger Darbietung von unfassbarer Gewalt und Tod war es schließlich an der Zeit für die Gladiatoren, die Bühne zu betreten. Ich war bereits so abgestumpft, dass mich nichts mehr erschütterte, und es dauerte nicht lange, bis ich mich ebenso mitreißen ließ wie die anderen Zuschauer und in ihr Geschrei und Gejohle einstimmte.
Wie die anderen streckte ich beide Daumen nach oben, wenn ein Kampf unentschieden ausging, und ich der Meinung war, beide Kämpfer sollten weiterleben. Und ich senkte die Daumen, wenn ich mich nicht genügend unterhalten fühlte und forderte, dass jemand dafür verantwortlich gemacht werden musste – und einen grausamen Tod sterben sollte, um für meine Langeweile zu büßen.
Je nach Stimmung rief ich »Weiterleben!« oder »Tod!«. Ich war berauscht von der Macht, die ich besaß. Mir war bewusst, dass ich nur eine von
Weitere Kostenlose Bücher