Riley Jenson 01 - Die Mondjägerin
ein halbes Duzend Schritte zu nah. »Wir werden dafür bezahlt, dass wir durch die Straßen streifen und für die Sicherheit der Menschen sorgen.«
Ich rieb mir mit der Hand die Nase und wünschte mir – nicht zum ersten Mal, seit ich mit Vampiren zu tun hatte -, dass mein Geruchssinn nicht so dermaßen fein entwickelt wäre. Ich hatte schon lange aufgegeben, sie zum regelmäßigen Duschen zu bewegen. Ich würde nie begreifen, wie Rhoan es ertrug, derart viel Zeit mit ihnen zu verbringen.
»Du gehst doch nur auf die Straße, wenn du zum Töten losgeschickt wirst«, erwiderte ich und ging langsam auf den Club zu. »Solltest du das Vinnies überprüfen?« »Nein.« Er durchbohrte mich mit einem Blick aus seinen braunen Augen, und ein merkwürdiges, surrendes Kribbeln in meinem Kopf zupfte an meinen Gedanken. »Woher wusstest du eigentlich, dass ich hier bin? Ich hatte mich doch in Schatten gehüllt.«
Das Surren verstärkte sich, und ich lächelte. Er versuchte, in mein Gehirn einzudringen und mich zu einer Antwort zu zwingen – das taten Vampire manchmal, wenn sie Fragen hatten, auf die sie freiwillig keine Antwort erhielten. Das Eindringen in fremde Gehirne war vor einigen Jahren per Menschenrechts-Gesetz für illegal erklärt worden. Dieses Gesetz regelte, welches Verhalten nichtmenschlicher Wesen Menschen gegenüber zulässig war und welches nicht. Oder, wie in diesem Fall, anderen nichtmenschlichen Wesen gegenüber. Gesetze zu erlassen war jedoch eine Sache, sich daran zu halten eine andere.
Da ich jedoch ein Wesen war, das es eigentlich gar nicht geben durfte, nämlich das Kind eines Werwolfs und eines Vampirs, hatte er bei mir keine Chance. Durch meine gemischten Erbanlagen war ich gegen die Kontrolle durch Vampire immun. Diese Immunität war der einzige Grund, weshalb ich als Assistentin für die Wächter der Abteilung arbeitete. Und selbst wenn Gautier den Grund meiner Immunität nicht kannte, hätte ihm diese Tatsache zu denken geben müssen.
»Ich sage das nur ungern, Gautier, aber du riechst nicht gerade angenehm.« »Ich stehe im Gegenwind.« Verdammt! Das stimmte. »Ein Wolf nimmt manche Gerüche auch gegen den Wind wahr.« Ich zögerte und fuhr dann beinahe unwillkürlich fort: »Nur weil du tot bist, musst du doch wirklich nicht so stinken.« Er kniff die Augen zusammen, und plötzlich war er so ruhig, dass er mich an eine Schlange kurz vor dem Angriff erinnerte.
»Du solltest besser nicht vergessen, was ich bin.« »Und du solltest dir ins Gedächtnis rufen, dass ich dazu ausgebildet wurde, mich gegen Typen wie dich zu schützen.« Er schnaubte. »Wie alle Assistenten überschätzt du deine Fähigkeiten.«
Womöglich hatte er damit recht, aber das würde ich ganz sicher nicht zugeben. Denn genau das wollte er. Gautier verärgerte nicht nur häufig die Hand, die ihn nährte, er biss sogar oft hinein. Und zwar ziemlich heftig. Seine Vorgesetzten ließen ihm seine Unverfrorenheiten durchgehen, weil er ein verdammt guter Wächter war.
»So sehr ich auch unsere gegenseitigen Beleidigungen genieße, möchte ich doch lieber wissen, was in diesem Club vor sich geht.«
Er sah zum Vinnies hinüber, und ich entspannte mich. Allerdings nur ein bisschen. Bei Gautier war es nie gut, sich zu sehr zu entspannen. »In dem Club ist ein Vampir«, erklärte er. »Das weiß ich selbst.« Er sah mich wieder mit seinen braunen und irgendwie toten Augen an. »Woher weißt du das? Ein Werwolf kann Vampire genauso schlecht erkennen wie ein Mensch.«
Werwölfe vielleicht nicht, doch ich war kein richtiger Wolf, und den Vampir in dem Gebäude hatte ich mit meinen Vampirinstinkten wahrgenommen. »Man sollte euch Vampire in Drecksspatzen umbenennen. Der Kerl stinkt beinahe so sehr wie du.« Er kniff erneut die Augen zusammen, und mein Gefühl von einer drohenden Gefahr verstärkte sich. »Eines Tages gehst du zu weit.«
Wahrscheinlich. Aber mit ein bisschen Glück passierte das erst, nachdem ich ihm seine Arroganz ausgetrieben hatte.
Ich deutete auf das Vinnies. »Gibt es noch Lebende dort drin?« »Ja.« »Wirst du etwas unternehmen oder nicht?« Sein Grinsen war widerlich. »Nein.« Ich blinzelte. Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. »Wieso nicht, zum Teufel?« »Weil ich heute Nacht auf der Jagd nach einer fetteren Beute bin.« Er musterte mich von oben bis unten, und meine Haut begann zu kribbeln. Nicht etwa aus sexuellen Gründen – Gautier begehrte mich genauso wenig wie ich ihn -, sondern weil er
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