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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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sich.« Er machte eine spannungsgeladene Pause, in der achtzehn Köpfe suchend ruckten.
    »Es ist dieser geöffnete Vulkankrater«, verriet er schließlich und zeigte hinter sich. »Später beim richtigen Bühnenbild ist er dann natürlich nicht aus Sperrholz, sondern aus Kupfer. Am Ende der Szene, wenn Wotan von Brünnhilde fortgeht, werden die Kraterwände nach vorne hin zugefahren. Und das Feuer — ja das ist eine besonders originelle Idee –, das Feuer können Sie jetzt noch nicht einmal erahnen. Es ist nämlich kein echtes Feuer, sondern es brennt nur auf Monitoren, die rundherum in das Kupfer eingelassen sind. Bei der Premiere werden Sie es dann selbst erleben: Diese virtuellen Flammen haben einen sehr kalten, aber damit um so berührenderen Effekt. Alexander Raven hat eine wirklich zeitgemäße Inszenierung kreiert.«
    Immer flüssiger ging ihm die Rede von den Lippen. EUPHORION lauschte ergriffen.
    »Die Szene, die wir jetzt sehen werden, ist eine der beiden großen Szenen im Ring, die zwei Sänger ganz alleine bewältigen müssen«, plauderte Reginald weiter. »Nur die Szene am Ende von Siegfried, wenn dieser Brünnhilde erweckt, ist noch ein bißchen länger. Sie können sich gewiß ausmalen, was für eine Kraft es die Sänger kostet, vierzig Minuten auf der Bühne ununterbrochen präsent zu sein und dabei Wagners alles fordernde Musik zu singen.«
    EUPHORION nickte beeindruckt.
    »Das zwingt mich aber auch«, sagte der Assistent etwas verhaltener, »Ihnen eine sehr unerfreuliche Mitteilung zu machen. Mrs. Johnson-Myer, unsere Brünnhilde, hatte in den vergangenen Tagen mit leichten gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. – Keine Sorge«, beruhigte er sogleich, als er die erschrockenen Gesichter
sah, »es ist nichts Ernstes, aber sie möchte sich begreiflicherweise noch einige Tage erholen. Deshalb wird sie bei der heutigen Probe nicht dabeisein.«
    Enttäuschte Ohs und Ahs wurden laut. Knabenkraut und Adonisröschen ließen hinter starrem Celophan die Köpfe hängen.
    »Es tut mir wirklich leid«, versicherte Reginald, »ich weiß, wie sehr sich einige von Ihnen gerade auf diese Sängerin gefreut haben. Doch ich glaube, ich kann Sie ein wenig trösten.« Er lächelte aufmunternd. »Sie werden zwar keinen Star erleben, dafür haben Sie die Gelegenheit zu erfahren, was Theaterarbeit im ganzen, mit all ihren Unwägbarkeiten, bedeutet. Und das ist ja ebenfalls ein wichtiges Ziel unseres Projekts. EUPHORION will Ihnen nicht nur glanzvolle Premierenabende bieten, sondern will Ihnen vor allem einen Einblick in das richtige Theaterleben ermöglichen. Glauben Sie mir, Sie werden die Oper mit ganz anderen Augen sehen, wenn Sie selbst einmal erfahren mußten, was für ein langer, bisweilen auch komplizierter Arbeitsprozeß sich hinter jeder einzelnen Aufführung verbirgt.«
    Die geknickten Köpfe richteten sich langsam wieder auf. Euphorion klatschte. In großen Zügen genoß Reginald das Lob, mit dem die vergangenen Tage so sehr gegeizt hatten.
    Noch immer badete er in dem jugendlichen Beifall, als Alexander Raven die Tür zur Probebühne öffnete. Grau und zerfurcht wie Granit, blieb der Regisseur an der Schwelle stehen.
    »Reginald«, zischte er, »kannst du mir — bitte — erklären, was hier vor sich geht?«
    Der Assistent schnappte nach Luft. »Ah, da ist ja Alexander
Raven.« Er ruderte mit den Armen. »Begrüßen Sie den Mann, dem wir nicht nur die einzigartige Inszenierung, sondern auch das herrliche Bühnenbild und die wundervollen Kostüme verdanken.«
    Der Regisseur bebte. »Reginald, was soll das?«
    Der Assistent versuchte unbeirrt zu lächeln. »Aber, Herr Raven, Sie werden doch unsere Gäste nicht vergessen haben.«
    »Komm raus«, befahl der Regisseur ruppig. »Ich muß mit dir reden.« Er drehte sich auf dem Absatz um. Mit hängenden Flügeln schlich ihm sein Assistent hinterher.
    »Was fällt dir ein, irgendwelches Volk anzuschleppen, ohne mich vorher zu fragen!« Alexander Ravens Stimme schoß durch den verwinkelten Gang. Die Worte zerbarsten an den gelblackierten Wänden.
    »Aber ich habe Sie doch gefragt«, protestierte Reginald. »Erinnern Sie sich nicht mehr? Vor – «
    »Niemand hat mich gefragt«, schnitt ihm Alexander Raven das Wort ab. Irgendwo hinter der nächsten Ecke klappte eine Tür.
    Reginald wagte einen zweiten Anlauf. »Vor ungefähr einem Monat haben wir darüber geredet. Und damals haben Sie gesagt, Sie fänden es eine gute Idee, EUPHORION zu einem Probenbesuch

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