Ringwelt 06: Flatlander
seinen Arm bis hinauf zum Ellbogen gepackt. Dahinter war alles in verschwommenes, violettes Leuchten getaucht: Peterfi, der in dem trägheitslosen Feld wie verrückt um sich schlug und zappelte. Ich hielt ihn fest, während ich darüber nachzudenken versuchte, was gerade geschah.
Der zweite Generator befand sich irgendwo hier in der Wohnung! Vielleicht in der Wand? Der Schalter schien erst vor kurzer Zeit eingesetzt worden zu sein, jetzt, da ich ihn aus der Nähe betrachtete. Angenommen, auf der anderen Seite befand sich eine Kammer, und darin der Generator? Peterfi hatte ein Loch durch die Wand gebohrt und den Schalter nach draußen geführt. Was hätte er auch sonst in den sechs Monaten tun sollen?
Es war sinnlos, um Hilfe zu rufen. Peterfis Schallisolierung war zu modern. Und wenn ich ihn weiter festhielt, würde er so oder so in den nächsten Minuten vor Durst sterben.
Plötzlich schossen seine Füße aus dem Feld, direkt auf meinen Unterkiefer zu. Ich warf mich zu Boden, und die Sohle hätte mir fast das Ohr abgerissen. Rasch rollte ich herum, um seinen Knöchel zu packen. Noch mehr violettes Zappeln, und das freie Bein trat blindwütig außerhalb des Feldes um sich. Zu viele widersprüchliche Nervenimpulse strömten in die Muskeln. Das Bein zappelte in der Luft wie ein sterbendes Tier. Falls ich nicht losließ, würde Peterfi sich ein Dutzend Knochenbrüche zuziehen. Er hatte den Tisch umgestoßen. Ich hatte nicht mitbekommen, daß der umgestürzt war, doch plötzlich lag er auf der Seite. Die Tischplatte, einschließlich der Schublade, befand sich ein gutes Stück außerhalb des Feldes. Der Handscheinwerfer lag unmittelbar vor dem flatternden Violett von Peterfis Hand.
So weit, so gut. Er konnte die Schublade nicht mehr erreichen. Seine Hand würde keine kohärenten Nervenimpulse ertragen müssen, denn er würde sie nun nicht mehr durch das Feld nach draußen strecken. Ich konnte sein Handgelenk loslassen. Er würde das Feld abschalten, sobald er erst durstig genug geworden war.
Und falls ich sein Bein nicht losließ, würde er dort drinnen sterben.
Es war, als versuchte ich, mit einem Arm gegen einen Delphin zu ringen. Ich klammerte mich trotzdem weiter an seinem Bein fest, während ich angestrengt nach dem Fehler in meinen Überlegungen suchte. Peterfis freies Bein war mittlerweile an wenigstens zwei Stellen gebrochen … Ich stand im Begriff, ihn loszulassen, als in meinem Kopf ein Groschen fiel.
Verkohlte Gesichter, die mich spöttisch angrinsten.
Gehirn an Hand: Halt ihn fest! Verstehst du denn nicht? Er versucht den Scheinwerfer zu erreichen!
Ich hielt ihn fest.
Schließlich hörte Peterfi auf, sich zu wehren. Er lag still auf der Seite, und sein Gesicht und die Hände leuchteten blau. Ich überlegte immer noch, ob er sich vielleicht nur tot stellte, als das blaue Leuchten langsam verlosch.
Ich ließ die anderen herein. Sie sahen sich im Zimmer um. Valpredo ging los, um einen Stock zu suchen, mit dem man den Schalter erreichen konnte. »War es nötig, ihn zu töten?« fragte Ordaz.
Ich deutete auf den Handscheinwerfer. Er verstand nicht, was ich meinte.
»Ich war mir zu sicher«, sagte ich. »Ich hätte nicht allein in seine Wohnung gehen dürfen. Er hat bereits zwei Leute mit dieser Taschenlampe getötet: die Organpascher, die ihm seinen neuen Arm verschafft haben. Er wollte nicht, daß sie redeten, also brannte er ihnen die Gesichter weg und schleppte sie anschließend auf einen Rollsteig hinaus. Wahrscheinlich band er sie an den Generator und benutzte die Leine, um ihn zu ziehen. Bei eingeschaltetem Feld wog die gesamte Apparatur wahrscheinlich kaum mehr als ein paar Pfund.«
»Mit einer Taschenlampe?« überlegte Ordaz. »Ach ja. Selbstverständlich. Das Licht war fünfhundert Mal intensiver und energiereicher gewesen, nachdem der Strahl das Feld verlassen hatte. Gut, daß Sie rechtzeitig daran gedacht haben.«
»Nun ja, ich verbringe schließlich eine ganze Menge mehr Zeit mit diesen merkwürdigen Science-Fiction-Erfindungen, als Sie es tun.«
»Gott sei Dank, wie ich hinzufügen möchte«, entgegnete Ordaz.
DIE PATCHWORK-FRAU
(PATCHWORK GIRL)
1.
STADT DER SPIEGEL
Wir sanken in westlicher Richtung dem Mond entgegen, in der üblichen, eleganten Kurve. Unser Pilot hatte die Kabinenbeleuchtung abgeschaltet, um uns einen ungehinderten Ausblick zu ermöglichen. Die Sonne versank hinter dem Horizont, während wir an Höhe verloren. Ich spähte an Tom Reinecke vorbei
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