Ringwelt 06: Flatlander
oder krank oder schwanger geworden war.
Mochte es sein, wie es wolle: Ich hatte mir mit Spesengeldern einen ganz gewöhnlichen Druckanzug gekauft. Die anderen Passagiere – Reporter und Delegierte – trugen ähnliche Modelle.
Ein halbes Dutzend Lunies und Belter wartete, um uns zu begrüßen, während wir aus der Luftschleuse nach unten kletterten. Ich konnte die Gesichter hinter den Helmplatten recht gut erkennen. Taffy befand sich nicht unter den Wartenden. Ich sah Leute, die ich bisher nur von Holovids oder Telefonbildschirmen kannte. Und ich erkannte eine vertraute Stimme: Gut gelaunt, herzlich, mit einem schwachen Akzent.
»Willkommen in Hovestraydt City«, sagte Bürgermeister Hove Watson. »Nach städtischer Zeit ist es bald Mittag. Ich würde Sie gerne noch ein wenig in unserer Stadt herumführen, bevor Sie morgen mit Ihrer Arbeit beginnen.«
Ich hatte keine Mühe, ihn in der Menge zu entdecken; ein mehr als acht Fuß großer Lunie mit dünnem blondem Haar, einem herzlichen Lächeln unter dem transparenten Helm und einer blühenden Esche auf dem Brustteil.
»Man hat Ihnen bereits Zimmer zugewiesen, und bevor ich es vergesse: der Stadtcomputer wird mit dem Kommando Chiron aufgerufen. Wir werden Ihre Stimmuster kodieren, so daß Sie jederzeit Zugriff haben. Sollen wir mit dem Bekanntmachen warten, bis wir die Druckanzüge abgelegt haben?« Er wandte sich um und führte uns.
Also hatte Taffy es nicht geschafft. Ich fragte mich, ob sie mir eine Nachricht hinterlassen hatte und wie lange es dauern mochte, bis ich eine Möglichkeit zu telefonieren bekam.
Wir gingen auf die Lichter in einigen hundert Fuß Entfernung zu. Kein Mondstaub dämpfte unsere Schritte. Mein erster Besuch auf dem Mond, und ich bekam fast nichts zu sehen. Schwarze Nacht ringsum, grelles Licht von der Stadt. Doch der Himmel war einer, den ich bereits kannte: der Belterhimmel, Hunderttausende von Sternen, so klar und hell, daß man meinte, hinaufgreifen zu können oder ihre Wärme zu spüren. Ich blieb ein wenig hinter den anderen zurück, um den Eindruck zu genießen. Es war ein Gefühl, als wäre ich nach Hause gekommen.
Wir waren Belter und Flatlander und Lunies, und wir waren mühelos voneinander zu unterscheiden.
Alle Flatlander steckten in Druckanzügen, die in hellen Grundfarben leuchteten. Die Anzüge behinderten jede Bewegung und machten uns schwerfällig. Selbst ich hatte meine liebe Mühe.
Ich hatte unmittelbar vor dem Start mit den anderen Delegierten der Vereinten Nationen gesprochen. Jabez Stone war eine Mischung aus einem schwarzen Watussi und einem Neu-Engländer mit langen, weißen Gesichtszügen. Er war Staatsanwalt gewesen, bevor er eine politische Laufbahn eingeschlagen hatte. Er repräsentierte die Vollversammlung. Octavia Budrys vom Sicherheitsrat besaß auffällig weiße Haut und pechschwarzes Haar. Sie war übergewichtig, zugleich aber muskulös genug, um das Gewicht hoheitsvoll zu tragen. Man spürte, daß sich die beiden ihrer Macht bewußt waren. Auf der Erde hatten sie sich bewegt wie Herrschende. Doch hier …
Ihre Würde litt unübersehbar. Budrys hüpfte durch die Gegend wie ein großer Vollgummiball. Stone kämpfte mit merkwürdigen, schlurfenden Bewegungen gegen die niedrige Gravitation. Sie schwankten nach rechts und links und rempelten sich immer wieder gegenseitig an. Ich hörte ihr Schnaufen in meinen Kopfhörern.
Die Belter fanden sich leicht zurecht. Man erkannte sie an ihren Belterkämmen unter den transparenten Helmen, Männer und Frauen ohne Unterschied. Ein schmaler Haarstreifen, der von der Stirn bis in den Nacken reichte. Rechts und links davon waren sie kahl geschoren. Sie trugen silbern reflektierende Umhänge gegen die Hitze des lunaren Lichts. Unter den Umhängen trugen sie hautenge Druckanzüge: Plastikmembranen, die den Schweiß passieren ließen und so eng anlagen wie eine Schicht Farbe.
Auf der Brust leuchteten bunte Bilder. Der Druckanzug eines Belters ist sein Zuhause, und er gibt leicht ein Vermögen aus für eine gute Brustzeichnung darauf. Die muskulöse rothaarige Frau im Gold der Belterpolizei mußte Marion Shaeffer sein. Auf ihrem Rumpf war ein Drache mit Adlerkrallen zu sehen, der im Begriff stand, sich auf einen Tiger zu stürzen. Ein breitschultriger, schwarzhaariger Mann, Chris Penzler, trug die Kopie eines Bonnie-Dalzell-Greifs, des gleichen, den man in der New York Metropolitan bewundern kann: vornehmlich golden und bronzefarben, mit einer umwölkten Erde in einem
Weitere Kostenlose Bücher