Ringwelt 06: Flatlander
den Randwall nach draußen.
»Ich nehme an, niemand wird am Tatort des Verbrechens irgendwelche Spuren verwischen?« fragte ich. »Vorausgesetzt, es handelt sich um ein Verbrechen.«
»Wir haben Kameras auf den Waldos. Ich werde veranlassen, daß die Stelle überwacht wird.«
Ich beobachtete, wie der Waldo den Container zu dem Loch innerhalb des flachen Hügels zog.
Vor meinem geistigen Auge verwandelte sich der Hügel in ein antikes englisches Hügelgrab, und durch das Portal in der Seite strömten die archaischen Toten nach draußen in die Welt der Lebenden. Doch auf dieser toten Welt kam nichts zum Vorschein außer einem weiteren Paar Strahlarme auf einer Traktorlafette. Trotzdem war der Ort tödlicher als jede auferstandene Armee irgendeines längs verstorbenen, mordlustigen Königs.
Hecate Bauer-Stanson sagte: »Sobald wir zurück in der Zivilisation sind, sollten Sie eine Suche nach vermißten Flatlandern starten, die auf dem Mond gelandet sein könnten. Darüber hinaus sollten Sie herausfinden, um was für ein Modell es sich bei diesem Druckanzug handelt. Wir haben bereits festgestellt, daß er auf keinen Fall auf dem Mond hergestellt wurde. Es muß ein Flatlander-Modell sein.«
»Warum nicht ein Belter?«
»Die Stiefel, Gil. Keine Magnete. Nicht einmal Vorrichtungen, um Magnete einzuspannen.«
Zur Hölle. Ich hatte gerade wichtige detektivische Punkte an Konstablerin Bauer-Stanson verloren.
»Nun kommen Sie schon, Gil! Der Waldo kümmert sich um den Rücktransport der Toten.«
»Sie können ihn programmieren?«
»Ich kann ihn von Helios Power Eins aus steuern. Das ist nämlich unser nächstes Ziel. Er braucht ungefähr fünf Stunden für die Strecke. Gil, die Tote hat so lange gewartet, jetzt kann sie auch noch ein wenig länger warten. Kommen Sie.«
»Und was ist mit dem Mark 29?«
»Er könnte ebenfalls alleine zurückfahren … aber nein. Falls irgendetwas Unvorhergesehenes damit geschieht … nein. Ich schätze, wir müssen das verdammte Ding mitnehmen, ob wir wollen oder nicht.«
Hecate dirigierte mich; wir stellten den Mark 29 auf einen Felsen. Ich hatte keine Ahnung, was sie vorhatte, bis sie mit einer Sauerstoffflasche unter dem Arm aus dem Lemmy zurückkehrte.
»Können wir die entbehren?« fragte ich.
»Sicher. Die gesamte Mondoberfläche ist reich an gebundenem Sauerstoff. Aber schließlich muß ich irgendwie den Staub von der Maschine kriegen, oder?« Sie richtete die Flasche auf den umgebauten Puffer und öffnete das Ventil. Staub wirbelte davon, und ich wich zurück.
»Ich meine, wir wollen doch sicher nicht am Ende ohne Luft dasitzen!«
»Ich habe reichlich Sauerstoff eingeladen.« Sie leerte die Flasche. Anschließend hoben wir den Mark 29 zurück in das Frachtabteil des Lemmys. Hecate startete das Schiff, und wir flogen zurück.
Wie heftig würde sie aufprallen? Isaac Newton hatte sämtliche Gleichungen ausgearbeitet. Ich versuchte mich an die Formeln zu erinnern, aber sie wollten mir nicht einfallen. Angenommen, auf dem Randwall stünde ein Massetreiber. Man schieße die Tote in der lunaren Gravitation ab, in Richtung des Mondäquators, drei Kilometer, und in einem Winkel von fünfundvierzig Grad in die Höhe. Die Flugbahn würde eine perfekte Parabel beschreiben, weil es keinen Luftwiderstand gab, wie der alte Sir Isaac ganz richtig postuliert hatte. Die Tote würde landen und augenblicklich rennen. Weiter und weiter. Sie würde die Sauerstoffzufuhr aufdrehen und wegrennen, zur entgegengesetzten Seite des Kraters – rap rap rap – in wilder Flucht vor dem irren Wissenschaftler, der sie mit dem Massetreiber abgeschossen hatte. »Gil?« Rap rap rap.
Knöchel auf meinem Helm, einen Zoll vor meinen Augen. »Ja?« fragte ich verschlafen und schlug blinzelnd die Augen auf.
Wir stürzten auf ein Loch in der Oberfläche zu, einem ausgedehnten, glänzenden schwarzen Fleck mit dünnen Linien aus Orange und Grün darüber. Während wir tiefer sanken – während die Bremsverzögerung des Lemmys mich in meine Liege drückte – konnte ich die Umrisse eines runden Hügels mit winzigen glitzernden Fenstern in der Schwärze ausmachen.
»Ich dachte, daß Sie vielleicht in Panik geraten, falls der Schub einsetzt, während Sie noch schlafen«, sagte Bauer-Stanson.
Das orange-schwarze Logo stand auf dem Kopf. Helios Power Eins war eingehüllt in Black Power, wie ich amüsiert bemerkte; doch bei näherer Betrachtung ergab es durchaus Sinn: Falls das Fusionskraftwerk abgeschaltet
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