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Ringwelt 06: Flatlander

Ringwelt 06: Flatlander

Titel: Ringwelt 06: Flatlander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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während ich mich mit meinem imaginären Arm verteidige. Es kommt näher. Ich kann es berühren, kann in es hineingreifen! Entsetzlich! Die Narben! Lorens Brusthöhle ist ein Flickwerk aus Transplantaten. Ich will die Hand zurückziehen, doch statt dessen greife ich tiefer und tiefer, finde sein gestohlenes Herz und drücke zu. Drücke zu.
    Wie ich des Nachts schlafen kann, bei dem, was ich weiß? Nun, Doktor, manchmal träume ich.
    Taffy schlug die Augen auf und fand mich im Bett sitzend. Ich starrte die dunkle Wand an. »Was ist los?« fragte sie.
    »Ein schlechter Traum.«
    »Oh.« Sie kraulte mich hinter dem Ohr, um mich zu beruhigen.
    »Wie wach bist du?«
    »Hellwach«, seufzte sie.
    »Woher hast du dieses Wort? Korpsikel, meine ich. Aus den Medien? Oder von einem Freund?«
    »Ich weiß es nicht mehr. Warum?«
    »Nur so ein Gedanke. Vergiß es. Ich frage einfach Luke Garner.«
    Ich stand auf und braute uns eine heiße Schokolade mit Bourbon. Sie warf uns um, als wären wir von einem ganzen Bündel Betäubungsnadeln getroffen worden.
     
    Lucas Garner war ein Mann, der dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen hatte. Die medizinische Entwicklung war immer weiter fortgeschritten, je älter er geworden war, und seine zu erwartende Lebensspanne bewegte sich vor ihm her. Garner war sicherlich längst nicht das älteste lebende Mitglied des Struldbrug-Klubs, doch er wurde älter und älter.
    Seine Rückenmarksnerven hatten schon vor langer Zeit die Arbeit eingestellt. Seitdem war er an einen Schwebestuhl gefesselt. Das Gesicht hing in tiefen Falten von seinem Schädel herab, doch seine Arme waren stark wie die eines Affen, und sein Verstand arbeitete noch immer messerscharf. Garner war mein Boß.
    »Korpsikel?« sagte er. »Ach ja. Korpsikel. Ich habe den Ausdruck im Holofernsehen gehört. Ich habe mir keine weiteren Gedanken deswegen gemacht, aber Sie haben selbstverständlich recht. Eigenartig, daß dieses Wort schon wieder durch die Welt geistert, nicht wahr?«
    »Aber woher stammt der Begriff?«
    »Popsikel. Ein Popsikel ist ein gefrorenes Fruchtsorbet, in dem ein Stengel zum Anfassen steckt. Man leckt das Sorbet ab.«
    Ich zuckte bei der Vorstellung zusammen, die vor meinem geistigen Auge entstand: Levitikus Hale, mit Eis bedeckt, einen Speer im Anus, während eine gigantische Zunge …
    »Ein hölzerner Stab.« Garner besaß ein Grinsen, das jedem Kleinkind Furcht eingejagt hätte. Sein Grinsen war beinahe so etwas wie ein Kunstwerk: ein Relikt, hundertachtzig Jahre alt, wie eine Lovecraft-Illustration von Hannes Bok. »So lange ist das inzwischen her. Sie fingen erst in den achtziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts damit an, Leute einzufrieren, aber wir steckten trotzdem weiterhin Holzstäbchen in unser Eis. Warum sollte irgendjemand diesen Ausdruck heute noch verwenden?«
    »Wer benutzt ihn überhaupt? Nachrichtenleute? Ich sehe in letzter Zeit nicht sehr viel fern.«
    »Nachrichtenleute, ja, und Anwälte … Was haben Sie inzwischen über die Bürgerinitiativen gegen das zweite Freezergesetz herausgefunden?«
    Ich benötigte einen Augenblick, um seinem Gedankensprung zu folgen. »Keine positiven Resultate, Sir. Wir haben die Angelegenheit auch von der anderen Seite her betrachtet. Falls Organpascher versuchen, das zweite Freezergesetz zu blockieren, dann könnten sie durchaus auch versuchen, jeden einzuschüchtern oder zu töten, der dieses Gesetz unterstützt, nicht wahr?«
    »Vermutlich, ja.«
    »Also sollten wir herausfinden, wen wir zu beschützen haben. Rein geschäftsmäßig natürlich. Die ARM hat sich schließlich nicht in die Politik einzumischen.«
    Garner streckte die Hand zur Seite aus und tippte etwas in die Computertastatur, die in seinen Schreibtisch eingelassen war. Sein wuchtiger Schwebestuhl paßte nicht unter die Tischplatte. Der Drucker spuckte Papier aus, und er reichte mir eine Liste.
    »Größtenteils Anwälte«, erklärte er. »Einige Soziologen und Professoren der Humanistik. Religiöse Führer, die ihre eigene Philosophie der Unsterblichkeit verfolgen. Die religiösen Lager sind übrigens gespalten. Das hier sind alles Leute, die öffentlich hinter dem zweiten Freezergesetz stehen. Ich schätze, diese Leute waren es auch, die das Wort Korpsikel erst eingeführt haben.«
    »Danke sehr.«
    »Ein nettes Wort, finden Sie nicht? Ein Witz. Wenn Sie ›Kälteschlaf‹ sagen, dann könnte sich früher oder später jemand die Frage stellen, ob diese Menschen tatsächlich schlafen oder in

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