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Ringwelt 06: Flatlander

Ringwelt 06: Flatlander

Titel: Ringwelt 06: Flatlander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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Sinn, der sich dahinter verbarg: Falls ein Patient versuchte, sich an der Tür zu erhängen, konnte man es von beiden Enden des Korridors aus sehen.
    In den oberen Räumen waren die Fenster milchig trübe. Vermutlich gab es gute Gründe, manchen Patienten nicht bewußt zu machen, daß sie sich zwölf Stockwerke über dem Erdboden befanden. Das Zimmer war klein, aber hell und in freundlichen Farben gestrichen. An Mobiliar sah ich ein Bett, einen gepolsterten Stuhl und einen Holoschirm, der in die Wand eingelassen war. Im gesamten Zimmer gab es keine einzige scharfe Kante.
    Charlotte saß in ihrem Stuhl. Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet und blickte starr geradeaus. Ihr Haar war kurz geschnitten und sah nicht sonderlich gepflegt aus. Der gelbe Hausanzug bestand aus irgendeinem knitterfreien Gewebe. Sie sah aus, als habe sie resigniert. Als habe sie aufgehört, sich gegen irgendein schreckliches, Furcht einflößendes Ding zur Wehr zu setzen. Charlotte blickte nicht auf, als wir ihr Zimmer betraten.
    »Warum ist sie immer noch hier, wenn Sie sie nicht heilen können?« flüsterte ich.
    Doktor Hartmann antwortete in normaler Lautstärke. »Zuerst dachten wir, sie sei in katatonische Depression verfallen. Das hätten wir heilen können. Sie sind nicht der Erste, der vorschlägt, sie zu verlegen. Sie ist nur deshalb noch hier, weil ich herausfinden möchte, was mit ihr nicht stimmt. Sie befindet sich in diesem Zustand, seit sie zu uns gebracht wurde.«
    Charlotte hatte unsere Anwesenheit noch nicht zur Kenntnis genommen. Der Arzt redete mit mir, als sei sie überhaupt nicht anwesend. »Hat die ARM vielleicht eine Idee, was man ihr angetan hat? Wenn wir mehr wüßten, könnten wir sie vielleicht behandeln.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das wollte ich gerade Sie fragen, Doktor. Was könnten die Entführer mit ihr gemacht haben?«
    Er zuckte die Schultern.
    »Vielleicht betrachten wir die Sache aus dem falschen Blickwinkel. Was haben sie nicht mit ihr getan? Wir fanden keine blauen Hecken, keine Wunden, keine gebrochenen Knochen. Nichts, was auf eine körperliche Mißhandlung hingedeutet hätte.«
    »Sie hatte auch keine inneren Verletzungen. Sie wurde nicht operiert. Man hat sie unter Drogen gesetzt, das war eindeutig. Wenn ich mich recht entsinne, waren die Entführer Organhändler?«
    »Es sah jedenfalls alles danach aus.« Das Mädchen hätte hübsch sein können, dachte ich. Es war nicht der Mangel an Kosmetika oder das hagere Gesicht. Es waren die leeren Augen, isoliert und hoch über den Wangenknochen, die ins Nichts starrten. »Könnte es vielleicht sein, daß sie erblindet ist?«
    »Nein. Der Sehnerv funktioniert einwandfrei.«
    Sie erinnerte mich an einen Drahtkopf. Sie war ebenso geistesabwesend, als würde Strom durch einen feinen Draht in das Lustzentrum ihres Gehirns geleitet. Allerdings war der Gesichtsausdruck eines Drahtkopfs der reinster egozentrischer Freude, das genaue Gegenteil von Charlottes völlig introvertierten Elends.
    »Verraten Sie mir eins«, bat Doktor Hartmann. »Wie sehr könnte ein Organpascher ein junges, unschuldiges Kind erschrecken?«
    »Es gelingt uns nicht oft, einen Bürger aus den Händen von Organpaschern zu befreien. Ich … ehrlich gesagt, mir fällt keine Obergrenze ein. Vielleicht haben sie ihr die medizinischen Einrichtungen gezeigt. Vielleicht mußte sie mit ansehen, wie sie eins ihrer Opfer zerlegt haben.« Mir gefielen die Bilder nicht, die meine Fantasie heraufbeschwor. Es gibt Dinge, über die denkt man besser nicht nach. Letzten Endes kommt es darauf an, die Bevölkerung zu schützen und die Lorens und die Anubis’ dieser Welt daran zu hindern, Hand an sie zu legen. Trotzdem kommt man nicht umhin, darüber nachzudenken und diese Gedanken immer und immer wieder zu verdrängen. Sie mußten schon sehr lange in meinem Kopf gewesen sein. »Sie hatten jedenfalls mit Sicherheit die Mittel, um Charlotte zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen und sie dabei die ganze Zeit über bei Bewußtsein zu halten. Und zwar, ohne daß man hinterher Narben entdecken könnte. Die einzigen Narben, die von der modernen Medizin nicht geheilt werden können, stecken im Wesen des Patienten selbst. Sie hätten ihr alle möglichen vorübergehenden Transplantate einsetzen können, Doktor … und sie müssen sich gelangweilt haben. Die Geschäfte liefen schleppend. Allerdings …«
    »Halt! Hören Sie auf!« Hartmann war ganz grau im Gesicht. Seine Stimme klang rau und heiser.
    »Allerdings sind

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