Ringwelt 08: Der kälteste Ort
ich eine Möglichkeit finde, das Wasser hierher zu bringen, kann ich es einfach in die Toilette schütten. Kann ich es in den O-Tanks transportieren?
23. April 2112
Morgengrauen.
Das Verwaltungsgebäude ist gleichzeitig ein Bandarchiv. Es gibt eine Aufzeichnung der Vorkommnisse im Stützpunkt, äußerst vollständig und bisher sehr langweilig. Die Aufzeichnungen hören sich an wie das Logband eines Schiffes, nur sind sie geschwätziger und gehen mehr in die Einzelheiten. Ich werde sie später ganz durchlesen.
Ich habe ein Stück Blasenkunststoff und ein wenig Kontaktkleber gefunden und damit den Riß geflickt. Dennoch hat die Blase die Luft nicht gehalten. Also habe ich mich auf die Suche gemacht und zwei weitere Risse gefunden, die genauso aussahen wie der erste. Ich habe sie repariert und nach weiteren Rissen Ausschau gehalten. Habe drei entdeckt. Als ich mit der Reparatur fertig war, war es bereits kurz vor Sonnenaufgang.
Das Wasser kann man in den O-Tanks transportieren, aber ich muß die Tanks erhitzen und das Wasser zum Kochen bringen, um es wieder herauszubekommen. Das ist ein hartes Stück Arbeit. Frage: Ist es leichter, das zu tun oder die Kuppel zu reparieren und die Elektrolyse im Innern fortzusetzen? Wie viele Risse gibt es?
Ich habe sechs gefunden. Wie viele Mörder sind es gewesen? Nicht mehr als drei. Ich habe drinnen zwölf Leichen gezählt, und vom Logband habe ich erfahren, daß die zweite Expedition aus fünfzehn Teilnehmern bestand.
Keine Spur von Goldhäuten. Wenn sie mich hier vermuten würden, wären sie längst gekommen. Mit einem Luftvorrat für mehrere Monate in meinem Lebensbereich werde ich wieder daheim in der Freiheit sein, sobald ich aus diesem Loch herauskomme.
24. April 2112
Noch zwei Risse in der Blase, insgesamt acht. Sie liegen etwa zwanzig Fuß auseinander und sind gleichmäßig um die durchsichtige Plastikfolie verteilt. Es sieht aus, als wäre mindestens eine Person um die Kuppel herumgelaufen und hätte auf sie eingeschlagen, bis sie nicht mehr straff genug gespannt war, um sie einschneiden zu können. Ich habe die Risse geflickt. Als ich fertig war, füllte sich die Blase mit Luft.
Ich bin das Logband der Stadt bereits bis zur Hälfte durchgegangen, und bis zu dieser Stelle ist noch niemand einem Marsbewohner begegnet. Ich hatte recht, aus diesem Grund sind sie hier hergekommen. Bis jetzt haben sie drei weitere Brunnen gefunden. Sie sind aus geschliffenen Diamantbausteinen, recht groß, sehr verwittert und wahrscheinlich Zehn- oder Hunderttausende von Jahren alt. Am Grund von zwei der vier Brunnen wurde gewöhnliches Stickstoffdioxid gefunden, die beiden anderen waren trocken. Jeder der vier Brunnen besitzt einen ›Widmungsstein‹, der mit seltsamen, teilweise verwitterten Schriftzeichen bedeckt ist. Eine oberflächliche Analyse der Schriftzeichen hat ergeben, daß es sich bei den Brunnen tatsächlich um Krematorien handelt: Ein verstorbener Marsbewohner muß explodiert sein, wenn er unterhalb des Stickstoffdioxids am Grund des Brunnens mit Wasser in Berührung kam. Es paßt. Marsbewohner können kein Feuer gelegt haben.
Ich frage mich immer noch, warum sie hierher gekommen sind, die Männer vom Stützpunkt. Was konnten ihnen die Marsbewohner nur bedeuten? Wenn sie jemanden zum Reden brauchten, ein nichtmenschliches Wesen, so hatten sie doch in ihren eigenen Meeren die Delphine und Schwertwale. Die Schwierigkeiten, die sie auf sich genommen haben! Nur, um von einem Loch zum anderen zu gelangen!
24. April 2112
Seltsam, zum ersten Mal nach der Landung bin ich nicht zum Schiff zurückgekehrt, als der Himmel sich hell färbte. Als ich mich auf den Rückweg machte, war die Sonne schon aufgegangen. Sie tauchte auf, als ich über den Kraterrand stieg. Dort stand ich zwischen zwei scharfen Obsidianzacken und blickte auf mein Schiff hinunter.
Es sah aus wie der Eingang zum Kapselasteroiden. Dorthin werden Frauen gebracht, wenn sie schwanger werden; eine sechzehn Kilometer lange und acht Kilometer breite Felsenkuppel, die sich schnell um ihre eigene Achse dreht und eine Fluchtgeschwindigkeit von 1g erzeugt. Die Kinder müssen dort ein Jahr lang bleiben, und das Gesetz schreibt vor, daß sie anschließend bis zu ihrem fünfzehnten Lebensjahr alljährlich einen Monat darauf verbringen. Ich habe eine Frau namens Letty, die im Augenblick dort darauf wartet, daß das Jahr um ist, damit sie mit unserer Tochter Janice fortgehen kann. Die meisten Minenleute zahlen
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