Ringwelt 11: Die Flotte der Puppenspieler
Kirsten auf ein etwas abgelegeneres Wäldchen zu, ohne auf eine Antwort zu warten. Sven folgte ihr. Neben dem Hain blieben sie stehen. Sven winkte seiner Tochter mit beiden Armen zu, als er bemerkte, dass Vicky sich nach ihm umschaute. »Sven, ich habe hier eine Aufzeichnung, die Sie sich einmal ansehen sollten.«
Das Video – dessen Projektion auf einen sehr kleinen Raum beschränkt blieb, um nicht die anderen Eltern, die dieses Fußballspiel mit ansahen, in irgendeiner Art und Weise neugierig zu machen – zeigte Kirstens Lauf zur Long Pass und dann ihr hastiges Durchqueren des Schiffes. Sven schaute es sich an, ohne ein Wort zu sagen. Schließlich endete die Aufzeichnung in der Ladebucht, mit einer Großaufnahme der am Boden festgenieteten Stepperscheibe. Diese Aufnahme betrachtete Sven von allen Seiten. Als Kirsten vor lauter Frustration schon kurz davor war zu platzen, schaute der Archivar sie schließlich an. »Das ist recht interessant.«
Die Stepperscheibe? Nicht das Schiff? Kirsten hatte das Gefühl, ihre Gedanken würden sich überschlagen.
»Noch einmal, bitte.« Wieder winkte Sven seiner Tochter zu. »Aber langsamer, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Mit vierfach gedrosselter Geschwindigkeit erlebte Kirsten erneut ihre viel zu kurze Erkundungstour. Sie sah das höhlenartige Innere des GP-Mark-IV-Schiffes. Sie schaute zu, wie sie völlig schutzlos über diese Gangway bis zum vernarbten Rumpf der Long Pass hinüberlief. Sie betrachtete Korridore und Kabinen an Bord des Schiffes – Räume, die zugleich alltäglich-banal und exotisch wirkten. Sie sah die leeren Frachträume. Die wenigen säuberlich geflickten Schotts riefen in Kirsten die gleichen Gefühle hervor wie immer: Zweifel und Zorn. Ein Schiffswrack, das hilflos im All trieb?
Was für eine Lüge!
»Interessant«, sagte Sven. Den Kopf leicht zur Seite geneigt, betrachtete er erneut eingehend die Stepperscheibe, über die Kirsten zurück an Bord der Explorer gekommen war. Endlich nahm er Kirstens Verwirrung zur Kenntnis. »Videoaufzeichnungen sind Daten. Daten kann man manipulieren. Aber diese Stepperscheibe da … Würden Sie das bitte heranzoomen?«
Es war unbedingt erforderlich, dass Sven ihnen glaubte! »Was ist denn so besonders an dieser Stepperscheibe? Was ist mit dem Schiff?«
»Heranzoomen, bitte«, wiederholte er nur. »Noch näher. Sehen Sie diese Steuerung, die da in den Rand eingelassen ist? Bürger sind vorsichtig. Die entwickeln ihre Technologie nur sehr langsam weiter. Bei der Stepperscheibe, die dort zu sehen ist, handelt es sich um ein Modell, das seit Jahrhunderten veraltet ist. Ich habe bislang nur wenige Exemplare davon gesehen. Das verleiht dieser Aufzeichnung einen Funken Glaubwürdigkeit. Dürfte ich wohl eine Kopie davon haben?«
»Streng vertraulich, natürlich.«
»Natürlich.« Wieder waren vom Spielfeld aus Jubelrufe zu hören. Erneut winkte Sven den Spielerinnen zu. »Sie werden mir wohl nicht erzählen, wie Sie zu dieser Aufzeichnung gekommen sind, oder?«
»Ich habe sie selbst angefertigt. Ich war an Bord.« Als Sven ungläubig die Augen aufriss, streifte Kirsten rasch ihren Rucksack ab und entnahm ihm ein kleines Paket, das nur lose in Stoff eingeschlagen war: das Stoffbild, das sie aus einer Kabine der Long Pass mitgenommen hatte. »Sven, wären Sie daran interessiert, eine richtig verstaubte alte Aufzeichnung zu untersuchen?«
Inmitten des Wirrwarrs von Svens Labor – in dem es geradezu widernatürlich leise war – wartete Kirsten angespannt darauf, dass Omar sich meldete. Die Ruhe hier würde nur bis zum nächsten Arbeitstag währen, dann kehrte das Personal zurück. Bis dahin musste sie fort sein – wenn schon nicht zu dem Treffen, das Omar arrangieren wollte, dann wenigstens wieder an Bord der Explorer.
Sven huschte zwischen den Großrechnern hin und her, die allesamt Kirstens Aufzeichnung analysierten. Und wenn er nicht gerade vor einem Rechner stand, dann arbeitete er an den verschiedensten Laborgerätschaften, mit denen er dieses Kunsthandwerk-Artefakt, das Kirsten mitgebracht hatte, untersuchte. Seit etwa einer Stunde summte Sven immer wieder tonlos vor sich hin. Kirsten gestattete sich die Hoffnung, dieses Gesumme sei ein Zeichen guter Laune – und gute Laune bedeute, dass der Archivar langsam zu glauben begann, ihr Bericht könne doch etwas Lohnenswertes enthalten.
Während Sven seine Tochter noch nach Hause gebracht hatte, war Kirsten schon vorausgegangen und hatte sich in das
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