Ringwelt 12: Weltenwandler
zerstören? Oder ihre Welt?«
»Genau das befürchte ich, Sigmund.« Nessus’ Stimme klang erschreckend dünn, er sprach nur mit einem Mund. Immer noch steckte der andere Kopf in seiner Tasche; mit einer Zungenbewegung konnte er jederzeit den Regler betätigen und davonschnellen. »Eine andere Antwort kenne ich nicht. Ich weiß nicht, wie man sie würde aufhalten können.«
Als einziger Puppenspieler in Reichweite sollte Nessus auch Angst haben.
Die New Terraner waren wie betäubt. Sie mussten hier mehr verarbeiten als nur diese Bedrohung. Sigmund vermutete, dass sie hier und jetzt zum ersten Mal von dieser ältesten Spezies der Galaxis gehört hatten. Die Outsider betrieben auch mit der Erde Handel; selbstverständlich hatte keiner der Puppenspieler ihre Diener hier den Outsidern gegenüber jemals erwähnt.
Eric war der Erste, der den Schock verdaut zu haben schien. »Dann werden wir Hearth mit in den Tod reißen! Ich werde dieses Schiff geradewegs in eure Welt hineinsteuern!«
»Dein Tod hilft doch auch niemandem!«, schrie Kirsten. Dann wurde ihre Stimme deutlich sanfter. »Ich brauche dich. Deine Kinder brauchen dich. Wir müssen eine andere Möglichkeit finden.«
»Nessus?«, sagte Sigmund leise. Er hatte das dringende Bedürfnis, irgendjemanden zu erwürgen; nur mit Mühe gelang es ihm, die Hände hinter dem Rücken verschränkt zu halten. »Gestatten Sie mir, Kontakt mit der ARM aufzunehmen.«
Der eine Kopf, mit dem Nessus sich im Raum umblickte, bewegte sich seitwärts hin und her, als hinge er an einem Scharnier – vielleicht war das ja auch wirklich so. »Wenn ich der Ansicht gewesen wäre, diese Möglichkeit stünde uns offen, hätte ich ihnen das längst gesagt. Aber die Erde in diese Angelegenheit mit einzubeziehen, würde bedeuten, dass wir von dieser ehemaligen Kolonie sprechen. Unter anderem deswegen haben wir uns stets bemüht, die Position der Flotte geheim zu halten.«
»Und das ist Ihnen nicht gelungen.« Sigmund dachte nach. Nicht ohne entsetzliche Kosten, verdammt noch mal. »Die ARM würde Krieg führen, um diese Leute hier zu retten.«
»Dann würden getarnte General-Products-Zellen als Geschosse gegen die Erde eingesetzt werden«, erwiderte Nessus. »Gegen alle von Menschen besiedelten Welten. Es wird kein Zögern und keine Gnade geben, wenn Hearth gefährdet ist.«
Sigmund dachte darüber nach, wie unerbittlich er die Puppenspieler verfolgt hatte, und auch an alle Versuche, ihn von dieser Verfolgung abzubringen – von Bestechungen über die Unruhen wegen der Fruchtbarkeitsgesetze bis hin zu den Raumpiraten. »Bislang haben Sie immer versucht, uns auf deutlich subtilere Art und Weise abzulenken.«
Nessus hielt es für sicherer, hier keinerlei Geständnis abzulegen.
»Sie haben mich entführt. Sie haben sich an meinen Erinnerungen zu schaffen gemacht, damit ich keine Hilfe von den anderen Welten holen kann, auf denen Menschen leben. Was genau erwarten sie denn jetzt von mir?«
»Das weiß ich nicht.« Mit gedämpfter Stimme fuhr er fort: »Um aller willen hoffe ich, dass Ihnen irgendetwas einfallen wird.«
Sigmund holte tief Luft. »Bevor ich irgendetwas unternehme, Nessus, werden Sie mir einige Fragen beantworten müssen. Zum einen …« Er stockte, und mit einem Mal ließ sich der Zorn, der schon die ganze Zeit in ihm kochte, nicht mehr zurückhalten.
»Zum einen: Warum in Finagles Namen bin ich nicht tot?«
»Ich bin zu spät gekommen«, sagte Nessus.
Er mühte sich nach Kräften, keine Furcht in seiner Stimme erkennen zu lasen. Ich habe einen bewaffneten Kzin getreten, rief er sich ins Gedächtnis zurück. Ich kann mit einem unbewaffneten Menschen reden.
Ohne Sigmunds Hilfe würde diese Welt hier sterben. Eric und die anderen würden viele Bürger auf Hearth mit in den Tod reißen. Der Preis, den Sigmund für seine Hilfe forderte, waren Antworten. Die Wahrheit. Und wie bei dieser Tortur auf Cue Ball, musste Nessus das hier überleben.
Vielleicht nicht die ganze Wahrheit.
»Sie sind zu spät gekommen«, wiederholte Sigmund.
»Ich habe einen Hotelmanager bestochen, Abhörgeräte und Stepperscheiben in Ihrem Zimmer zu verstecken. Mein Ziel war lediglich, mit Ihnen darüber zu reden, wie man New Terra helfen könnte.« Dass sein Handeln zeitlich tatsächlich vor diesem Ultimatum der Outsider erfolgte, war ein Detail, das zu verschweigen ihm recht sinnvoll erschien. »Ich bin genau in dem Augenblick in Anders Zimmer geschnellt, als auf Sie geschossen wurde.«
Reine
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