Ringwelt 12: Weltenwandler
der Innenstadt von Manhattan überstehen.« Addeo öffnete wieder die Bürotür. Zum Abschied sagte er noch: »Jetzt, Sigmund.«
Aus der Lobby des ARM-Hauptquartiers schnellte Sigmund zu seinem Ziel. Dann trat er aus der Kabine heraus und blickte sich um. Imbissbuden. Menschengewirr. Hoch aufragende Gebäude.
Unmittelbar vor ihm stand ein uraltes Gebäude aus rotem Backstein, gerade einmal sieben Stockwerke hoch. Das Land, auf dem es stand, wäre als Baugrund für einen neuen Wolkenkratzer Milliarden wert gewesen. Alleine schon die Tatsache, dass dieses Gebäude dort immer noch stand, stellte sehr deutlich etwas zur Schau.
Sigmund stieg die breiten Granitstufen empor. Der livrierte Portier öffnete ihm eine große Tür aus Glas und Messing.
Der Concierge ignorierte den Ausweis, den Sigmund ihm entgegenstreckte. »Das ist nicht erforderlich, Sir. Sie werden bereits erwartet. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?«
Auf der anderen Seite des Gemeinschaftsraums, dessen Decke ganze drei Stockwerke höher lag, standen oder saßen äußerst förmlich gekleidete Männer und Frauen; sie nippten an Brandy oder Kaffee, lasen oder waren in Gespräche vertieft. Es wirkte, als würden alle nur im Flüsterton miteinander sprechen, aber das konnte auch ein Effekt der Raumakustik sein. Riesige orientalische Teppiche bedeckten den im Alter nachgedunkelten Hartholzboden. Bis auf zwei Meter Höhe waren entlang sämtlicher Wände ledergebundene Bücher aufgestellt. Oberhalb der schweren Bücherregale blickten von der Mahagonitäfelung gestrenge Gesichter in den Saal hinab: Ölgemälde in vergoldeten Schnitzrahmen. Hin und wieder war ein Knarren oder Quietschen zu hören, wenn sich jemand in einem der mit rotem Leder bezogenen Ohrensessel bewegte. In dem mannshohen, gemauerten Kamin brannte ein echtes Holzscheit.
In diesem höchst exklusiven, privaten Etablissement, in dem Geld keinerlei Rolle spielte, sah Sigmund kein einziges Videofon und keinen Taschencomp. Und auch nach seinem eigenen hatte ihn niemand gefragt. Die Mitglieder dieses Klubs würden niemals die Aufforderung dulden, ihre Kommunikationsgerätschaften abzulegen. Stattdessen gab es hier zweifellos Suppressoren, die jegliche Ablenkung und Störung durch die allgegenwärtigen Netzwerke vollständig verhinderten – und zugleich auch den Einsatz jeglicher Sonden und Aufzeichnungsgeräte.
»Bitte hier entlang, Sir«, forderte der Concierge Sigmund auf. Mit einer Handbewegung bedeutete er Sigmund, einen angrenzenden Sitzungsraum zu betreten, der so eingerichtet war, dass er wie eine exakte Kopie des Gemeinschaftsraums wirkte.
Auf der anderen Seite des massiven Eichentischs, dessen Beine in klauenartige Füße ausliefen, standen ein Mann und eine Frau; beide drehten Sigmund im Augenblick den Rücken zu. Was sie miteinander besprachen, verstand Sigmund nicht. Der Mann war recht klein und breitschultrig, er wirkte fast wie ein Jinxianer. Sigmund vermutete, hier Gregory Pelton vor sich zu sehen. Begegnet waren sie einander bislang noch nicht, aber Sigmund hatte schon reichlich Aufzeichnungsmaterial über diesen Mann begutachtet.
Die Frau neben ihm wirkte regelrecht schmächtig, vor allem im unmittelbaren Vergleich. Ihr lockiges Haar trug sie in abwechselnd goldenen und platinfarbenen Strähnen. Und ihr hautenger Overall in leuchtendem Türkis war mehr als nur geradezu schmerzhaft bunt: Diese Farbe war ein Markenzeichen.
Calista Melenkamp, die Generalsekretärin der Vereinten Nationen.
Mit einem leisen ›Wusch‹ schloss sich die Tür hinter Sigmund. Das Geräusch brachte beide dazu, sich umzudrehen; Sigmund hatte Recht: Der Mann war wirklich Pelton. Melenkamp blickte Sigmund durchdringend an, dann verließ sie den Raum durch einen anderen Ausgang, ohne ein einziges Wort zu sagen. Es war auch nicht erforderlich, noch irgendetwas zu sagen: Ganz offensichtlich genoss Pelton ihr völliges Vertrauen.
Stirnrunzelnd bedachte Pelton Sigmund mit einem finsteren Blick. Trotz des kurz geschnittenen schwarzen Bartes verriet sogar Peltons Mundpartie deutlich seinen Zorn. »Special Agent Ausfaller, Ihr Interesse an meinen persönlichen Angelegenheiten ist mittlerweile unerträglich geworden.«
Mit Zorn konnte man Sigmund nicht beeindrucken – diese Emotion wurde nur zu häufig als Maske verwendet. »Schön, dass Sie wieder auf der Erde sind, Mister Pelton. Ich habe gehört, Ihre Reise sei recht interessant gewesen.«
»Das wohl.« Der Anflug eines Lächelns. »Und schon das stellt mehr
Weitere Kostenlose Bücher