Ringwelt 12: Weltenwandler
Inneren des Gebäudes antik war. Entweder das, oder dieser Portier hatte ein ausnehmend gutes Personengedächtnis. Wie dem auch sei: Sigmund war beeindruckt.
»Ich bedaure, Sir. Nur Klubmitgliedern und deren angemeldeten Gästen ist der Zutritt gestattet.«
»Ich verstehe.« Sigmund zog einen Umschlag aus der Manteltasche. Das trübe Tageslicht ließ das melodramatische, blutrote Wachssiegel noch auffälliger erscheinen. Seit Wochen trug Sigmund dieses Schreiben nun schon mit sich herum, er hatte nur auf eine geeignete Gelegenheit gewartet, es zu überreichen. Melenkamp hatte (auf Peltons Drängen hin?) dafür gesorgt, dass Sigmund nur über zahlreiche Mittelsmänner mit ihr Kontakt aufnehmen konnte. Und die Nachricht, die er hier in der Hand hielt, war ausschließlich für die Generalsekretärin persönlich bestimmt. »Es handelt sich um eine Angelegenheit globaler Wichtigkeit. Solarer Wichtigkeit.«
Der Portier nahm das Bündel Eintausend-Kredit-Scheine entgegen, das unter dem Umschlag verborgen war. »Ich werde sehen, was ich tun kann, Sir. Bitte warten Sie hier.« Er ließ Sigmund unter dem schmalen Vordach alleine zurück.
Zehn Minuten später erschienen zwei von Melenkamps Leibwächtern und führten Sigmund hinein.
»Lassen Sie uns allein«, wies Melenkamp ihre Leibwachen an. Die Wachen zögerten gerade lange genug, um deutlich zu machen, wie sehr sie dieses Verhalten missbilligten, dann verließen sie den Raum und schlossen die schwere Eichentür hinter sich. Die Generalsekretärin deutete auf einen Sessel, der auffallend zerbrechlich wirkte. »Setzen Sie sich.«
Sigmund setzte sich. Seite an Seite lagen die Bögen seines Schreibens auf dem anderweitig leeren Tisch vor ihnen. »Ich hatte gehofft, das würde Sie neugierig machen.«
»Wie sollte es anders sein?« Sie sprach tonlos und abgehackt. »Wie lange verfolgen Sie mich schon, Special Agent Ausfaller?«
Sigmund hatte dieses Etablissement mit fast unsichtbar kleinen ARM-Sonden versehen. Es wäre nicht gut, der Generalsekretärin davon zu berichten. »Ich verfolge Gelder, keine Personen.«
»Ich nehme diese ausweichende Antwort zur Kenntnis.« Aus einer Karaffe auf einem Beistelltisch schenkte sie sich eine Tasse Kaffee ein und setzte sich dann an den Tisch, auf dem Sigmunds Schreiben lag. »Dann sprechen Sie über die Gelder, denen sie gefolgt sind.«
Und das tat Sigmund auch: Er erwähnte das fast unvorstellbare Vermögen, das General Products im Solsystem erwirtschaftet haben musste, und das zum weitaus größten Teil nicht nachverfolgbar war. Er erwähnte den Reichtum, der zurückgeblieben war, nachdem die Puppenspieler vor fünf Jahren ihren Exodus eingeleitet hatten. Er erwähnte Konten, die, rein logisch betrachtet, hätten ruhen müssen, bei denen aber dennoch immer wieder Gelder abflossen. Er erwähnte mehrfach umgeleitete Überweisungen, die durch so anonyme und nicht nachverfolgbare Kanäle strömten, wie sie moderne Finanzingenieure nur aufbauen konnten. Er erwähnte …
Scharf sog die Generalsekretärin die Luft ein. »Die Puppenspieler haben sich schon sehr verschwiegen verhalten, als sie noch en masse hier waren. Und jetzt, nachdem sich ihre Anwesenheit hier auf einen einzigen Vertreter beschränkt, der sich zudem auch noch versteckt hält, ist ihr Vorgehen natürlich indirekt. Ich erinnere mich an den Namen ›Nessus‹, und auch daran, dass er hier geblieben ist, um noch ausstehenden Verpflichtungen nachzukommen. Ich habe einen Bericht Ihrer Sondereinheit gelesen, Mister Ausfaller – als Sie noch eine Sondereinheit hatten.«
Er verlor ihre Aufmerksamkeit! Das durfte er nicht zulassen! Er hätte mit dem Endpunkt dieser gewundenen Geldroute anfangen müssen, nicht mit dem Anfang! Es ging hier um eine abgelegene Bank im Belt, eine echte Steueroase. »Und wenn ein Puppenspieler, der sich versteckt hält, Geld auf ein Nummernkonto überweist, dessen Verfügungsgewalt bei einem Ihrer Stellvertreter liegt?«
»Verdammt noch mal, Ausfaller, natürlich ist das wichtig! Deswegen sind Sie ja auch hier – wie kurz Ihr Aufenthalt hier auch sein mag. Deswegen hat man Sie nicht in Gewahrsam genommen, trotz ihrer jahrelangen, völlig ungerechtfertigten Ermittlungen. Noch nicht. Ich werde überprüfen, ob diese Anschuldigungen, die Sie hier vorbringen, tatsächlich auf Tatsachen beruhen. Im Augenblick gehe ich einfach davon aus, dass Sie weder töricht noch verrückt genug sind, mir aufzulauern, nur um mich anzulügen.«
Oder hatte
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