Ringwelt
verspritzte ihren roten Saft. Louis' Gaumen sonderte Speichel ab, und plötzlich hatte er einen unglaublichen Durst.
Sie holte eine zweite Frucht aus ihrer Tasche und warf sie hinunter. Er hätte sie diesmal bequem auffangen können, doch dann hätte das Flugrad auch sein prekäres Gleichgewicht verloren. Die Dame wußte das.
Der dritte Wurf traf Louis an der Schulter. Louis hielt sich krampfhaft an seinen Ballonhüllen fest und dachte schwarze Gedanken.
Dann kam das Flugzeug von Nessus zum Vorschein, und das Mädchen auf der Plattform lächelte.
Der Puppetier war bisher hinter einem Laserwrack versteckt gewesen. Jetzt trieb er schräg auf die Aussichtsbühne zu, als hinge sein Flugzeug an einer unsichtbaren magnetischen Angel. Während Nessus an Louis vorbeitrieb, flötete er: »Können Sie das Mädchen verführen?«
Louis bleckte die Zähne. Doch dann begriff er, daß der Puppetier seine Frage nicht ironisch meinte, und sagte: »Ich glaube, sie hält mich für ein Tier.«
»Dann müssen wir eben noch eine andere Taktik einschlagen!«
Louis rieb die Stirn an dem kühlen Metall. Er hatte sich selten so elend gefühlt wie jetzt. »Sie sind der Boß«, sagte er. »Sie will mich nicht als gleichberechtigtes Wesen anerkennen. Vielleicht akzeptiert sie einen Puppetier. Als Rivalen wird die Dame Sie kaum betrachten. Dafür sehen Sie zu fremdartig aus.«
Der Puppetier gab keine Antwort mehr. Er schwebte jetzt über Louis' Kopf und sagte etwas in der Sprache des kahlgeschorenen Priesters. Er beherrschte also die heilige Sprache der Ringwelt-Architekten.
Das Mädchen antwortete nichts darauf. Aber ihre Mundwinkel hoben sich leicht nach oben, und in ihren Augen zuckte ein leiser Funke auf.
Nessus hatte seinen Tasp nur sehr vorsichtig angewendet.
Er sprach sie noch einmal an, und diesmal bekam er Antwort. Ihre Stimme war kühl und melodisch.
Das Flöten des Puppetiers war jetzt überhaupt nicht mehr von der Stimme des Mädchens zu unterscheiden.
Für Louis Wu, der hier über einem tödlichen Abgrund das Gleichgewicht bewahren mußte, war dieses Zwiegespräch natürlich langweilig. Er verstand ja kein Wort davon. Sie warf Nessus eine von den faustgroßen Früchten zu. Thrumb hießen diese Dinger, wie Louis hörte. Nessus fing die Frucht auf. Dann stand das Mädchen auf und verließ die Plattform.
»Was ist denn jetzt wieder los?« fragte Louis.
»Die Geschichte wurde ihr zu langweilig. Sie hat sich nicht verabschiedet.«
»Ich sterbe vor Durst. Könnte ich vielleicht Ihre Thrumb haben?«
» Thrumb bezeichnet die Farbe der Schale, Louis.« Nessus trieb mit seinem Flugrad auf Louis zu und reichte ihm vorsichtig die Frucht hinüber. Louis schälte sie mit den Zähnen ab und kostete das Fruchtfleisch. Es war der herrlichste Leckerbissen, den er seit zweihundert Jahren gekostet hatte.
»Kommt sie wieder zurück?« fragte Louis, während er sich die Finger zwischendurch ableckte.
»Ich hoffe es. Ich habe den Tasp nur so schwach eingestellt, daß er auf ihr Unterbewußtsein wirkt. Sie wird jetzt ihre angenehmen Empfindungen vermissen. Jedesmal, wenn sie mich wiedersieht, wird die Wirkung des Tasp stärker . Louis, soll ich sie nicht in Sie verliebt machen?«
»Hat keinen Sinn, Nessus. Sie hält mich für einen Wilden. Möchte nur wissen, wofür die Dame sich selbst hält.«
»Ich habe keine Ahnung. Sie hat es mir wahrscheinlich gesagt, aber ich habe es nicht kapiert. Mein Vokabular ist noch dürftig. Wir kriegen die Dame schon noch klein .«
20. Fleisch
Nessus war unten in der Grube gelandet, um das Terrain zu erkunden. Louis versuchte zu beobachten, was er da unten trieb. Dann hörte er Schritte über sich, diesmal ohne bimmelnde Glöckchen. Louis bildete einen Trichter mit den Händen und rief: »Nessus!«
Das Echo brach sich an den Wänden und hallte schaurig in der Kegelgrube wider. Der Puppetier sprang erschrocken in den Sattel seines Flugrades. Offenbar hatte er die Düse laufen lassen, um den Auftrieb des Magnetnetzes zu kompensieren. Jetzt brauchte er nur noch den Motor abzuschalten und trieb nach oben, den Flugzeugleichen zu. »Was, zum Teufel, treibt die Dame denn da oben?« fragte Louis.
»Geduld. Sie gewöhnt sich nicht so rasch an einen Tasp, der auf die niedrigste Stärke eingestellt ist.«
»Ich kann mein Gleichgewicht hier nicht ewig halten! Versuchen Sie, ihr das in ihren kahlen Schädel einzuhämmern!«
»Geduld. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich brauche einen Schluck Wasser!« Louis Wus
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