Ringwelt
Mund schien aus einem Ballen Watte zu bestehen.
»Wie wollen Sie denn in dieser Lage trinken? Wenn sie den Kopf drehen, verlieren Sie sofort das Gleichgewicht!«
»Ich weiß. Vergessen wir es.« Louis erschauerte. »Wie geht es dem Kzin?«
»Ich befürchte das Schlimmste für ihn, Louis. Er ist schon ziemlich lange bewußtslos.«
»Verdammt, so tun Sie doch etwas .«
Schritte.
Sie muß eine fanatische Kleiderwechslerin sein, dachte Louis. Sie trug jetzt lauter übereinandergreifende Rüschen in Orange und Grün. Von ihrer Figur war unter diesen Rüschen nichts zu erkennen. Sie kniete am Rande der Plattform und beobachtete sie beide. Louis hielt sich krampfhaft an seinem Gestänge fest und wartete auf die Dinge, die da kommen sollten.
Ihr Gesicht wurde plötzlich weich. In ihren Augen lag ein träumerischer Glanz. Die Winkel ihres schmalen Mundes zogen sich lächelnd nach oben.
Nessus sagte etwas. Sie schien nachzudenken. Dann sagte sie ebenfalls etwas, stand auf und verschwand wieder.
»Verdammt - was hat sie denn jetzt schon wieder?«
»Abwarten.«
»Ich habe es satt, nur zu warten!«
Plötzlich schwebte das Flugrad des Puppetiers nach oben und ging an der Plattform längsseits wie ein Ruderboot an einem Steg. Der Puppetier stieg mit einem koketten Hufschlag auf die Beobachtungsbühne.
Das Mädchen ging auf Nessus zu, um ihn zu begrüßen. In der einen Hand hielt sie etwas, das wie eine Waffe aussah. Doch mit der anderen Hand berührte sie einen Kopf des Puppetiers, zögerte kurz und strich ihm dann mit den Fingernägeln sanft über die Wirbelsäule.
Der Puppetier gab entzückte Flötentöne von sich.
Das Mädchen drehte sich um und ging wieder die Treppe hinauf. Es blickte nicht zurück. Wahrscheinlich nahm sie an, daß der Puppetier ihr unaufgefordert folgte.
Gut, dachte Louis. Gewöhnt euch nur aneinander. Das weckt das gegenseitige Vertrauen.
Doch jetzt verwandelte sich das Gewölbe wieder in ein Massengrab.
Der Kzin trieb zehn Meter von Louis entfernt in dem Knochensee. Zwischen den grünen Sicherheitsballons schaute sein gedunsenes orangefarbenes Gesicht hervor. Louis wußte nicht, wie er sich an den Kzin heranschieben konnte. Vielleicht war der Bedauernswerte bereits tot.
Bei den Knochen unten in der Grube lagen mindestens ein Dutzend menschlicher Schädel, Gebeine, verrostete Metallteile und der Staub von Jahrhunderten. Louis Wu klammerte sich an sein Flugzeug und wartete darauf, daß die Kräfte ihn verließen .
Er döste vor sich hin, als sich plötzlich etwas um ihn herum veränderte.
Louis' Leben hing von seiner Balance ab. Die momentane Veränderung löste eine Panik bei ihm aus. Er blickte wild um sich. Die Metallwracks blieben alle in Augenhöhe. Doch etwas bewegte sich. Ein Flugwagenrumpf prallte gegen ein Hindernis. Metall knirschte. Dann löste sich der Rumpf aus dem Netz.
Was ging hier vor?
Ein zweites Wrack war auf einem der Zellenringe gestrandet, drehte sich in der Turbulenz des Magnetfeldes und blieb liegen. Das magnetische Spinnennetz sank stetig nach unten.
Louis' Flugrad landete einen Stock tiefer. Louis konnte sich gerade noch zur Seite rollen, ehe das Flugzeug ihn unter sich begrub. Das Flugrad des Kzin war zwei Etagen über ihm gelandet. Louis erkannte es an den Ballons. Das Flugzeug lag auf der Seite. Der Kzin war also nicht von der Metallmasse erdrückt worden. Noch nicht .
Louis kroch die Stufen der Wendeltreppe zu dem Kzin hinauf.
Der Kzin lebte und atmete noch. Aber er war bewußtlos. Auch sein Genick war noch heil, wahrscheinlich, weil der Kzin kein nennenswertes Genick aufweisen konnte. Louis holte seinen Laser aus dem Gürtel und stach die Ballons mit dem nadelfeinen Lichtstrahl auf. Und jetzt? Louis erinnerte sich an seinen quälenden Durst.
Mit butterweichen Knien richtete sich Louis auf und schaute sich nach der einzigen noch verfügbaren Wasserquelle um.
Louis stand auf dem Dach eines Zellenblockes. Er blickte hinunter auf die terrassenförmig angelegten Zellenringe und entdeckte das Flugzeug von Nessus, das genau gegenüber auf dem nächst tieferen Zellenring gelandet war. Louis kletterte die Wendeltreppe hinunter und trat ganz vorsichtig auf. Alle Muskeln taten ihm weh, als wandle er auf seinen Haarspitzen. Dann beugte er sich über das Flugrad des Puppetiers und schüttelte benommen den Kopf. Niemand würde versuchen, dieses Flugrad zu stehlen. Die Kontrollsymbole waren für einen Menschen nicht zu entziffern. Aber er hatte Nessus schon einmal
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