Ringwelt
Folter so schnell starben.« Der Kzin fauchte leise. »Nur frage ich mich was hat Nessus' Verletzung mit dem Glück von Teela Brown zu tun?«
»Eine Menge, Dolmetscher. Als Teela hierherkam, war sie nur die Maske eines Mädchens. Ihre Persönlichkeit hatte nichts Menschliches an sich. Denn Nessus hatte ja mit seiner Zuchtwahl nur sein eigenes Wunschbild verwirklichen wollen - ein Wesen, das frei von Schmerzen und Gefahren leben konnte. Deshalb züchtete er Teela Brown. Sie verkörpert das, wofür jeder Puppetier sich seine Hufe ablecken würde.
Doch Teela hatte das Glück, uns auf die Ringwelt begleiten zu dürfen. Nur hier konnte sie sich zu einem vollwertigen Menschen entwickeln. Sie gab mir den Schal, mit dem ich den verletzten Hals des Puppetiers abbinden konnte. Sie hat sich zum erstenmal in einer Notlage bewährt. Denn dieses Glückskind braucht die Not und die Gefahr, um erwachsen zu werden. Auf der Erde wäre sie nie erwachsen geworden.«
Louis bemerkte erst jetzt, daß der Kzin etwas vorsichtig zwischen seinen Krallen hielt. »Hast du etwa den amputierten Kopf vom Pflaster aufgehoben?« fragte er. »Reine Zeitverschwendung, Dolmetscher. Wir können ihn wahrscheinlich nicht tief genug einfrieren .«
»Nein, Louis.« Der Kzin zeigte Louis, was er in der Hand hielt - ein kugelförmiges Ding, das zu einer Spitze zulief. Und aus dieser Spitze wurde ein hauchdünner Draht.
»Nicht anfassen!« warnte der Kzin, »sonst verlierst du deine Finger!«
»Oh«, sagte Louis ergriffen. »Der Sonnenblendendraht.«
»Richtig«, fauchte der Dolmetscher. »Als ich sah, daß die Eingeborenen den Draht als Stolperfalle quer über die Straße gespannt hatten wußte ich auch, daß sie eine Möglichkeit entdeckt hatten, wie man dieses Teufelszeug anfassen konnte. Deshalb kehrte ich noch einmal auf das Schlachtfeld zurück. Und ich fand - das da!«
»Das Endgelenk des Sonnenblendendrahtes!«
»Wir müssen beim Aufprall gegen den Draht dieses Endstück aus einem Gelenk an der Ecke einer Sonnenblende herausgerissen haben. Das andere Ende besteht wahrscheinlich nur aus Draht. Wir haben das Zeug mitten durchgerissen. Das heißt, die Liar hat es getan.«
»Schön«, murmelte Louis, schon viel besser gelaunt. »Wir ziehen also jetzt den Draht hinter uns her.«
»Richtig. Und er wird auch nirgends hängenbleiben. Unsere Zugkraft genügt, um jedes Hindernis glatt umzusäbeln.«
»Großartig. Dann können wir Kurs auf die Liar nehmen«, sagte Louis entschlossen und stand auf.
Sie schweißten das Endstück des Drahtes mit Kunstharz an der Brücke fest. Dann ging Louis in den Maschinenraum, wo Prill, Teela und der »Sucher« an den Schwebemotoren arbeiteten.
»Unsere Wege trennen sich jetzt«, sagte Teela ohne viel Umschweife. »Diese Frau behauptet, sie kann uns zu der Banketthalle vom Haus des Himmels manövrieren. Wir brauchen dann nur noch durch das Fenster in das andere Haus hinüberzusteigen.«
»Dann bist du immer noch nicht weit gekommen«, sagte Louis düster. »Es sei denn, du kennst dich mit den Schwebemotoren in dem Haus des Himmels aus.«
»Oh, Sucher meint, er beherrscht etwas von der Magie der Maschinen. Der kommt schon klar.«
»Gut.« Louis versuchte erst gar nicht, Teela von ihrem Vorhaben abzubringen. Ebensogut hätte er einen attackierenden Bandersnatcher mit den bloßen Händen aufhalten können. »Wenn du mit den Kontrollhebeln nicht zurechtkommst, schaltest du auf gut Glück ein. Es wird schon gutgehen.«
Sie lächelte. »Ich werde mich daran halten.« Dann setzte sie ernsthaft hinzu: »Passe gut auf Nessus auf.«
Zwanzig Minuten später waren die beiden in das Haus des Himmels umgestiegen, ohne noch einmal Lebewohl zu sagen. Louis hätte noch viele Dinge auf dem Herzen gehabt. Aber warum sollte er Teela gute Ratschläge mit auf den Weg geben, wenn das Glück ihr Schutzengel war?
In den nächsten Stunden wurde der Körper des Puppetiers immer kälter. Wenn die Lichter am Erste-Hilfe-Gerät nicht weitergebrannt hätten, hätte Louis Nessus glatt für tot erklärt. Das Wolkenkratzerschiff bewegte sich jetzt nach Steuerbord, den Sonnenblendendraht hinter sich herziehend. Die Drahtwindungen hatten sich um eine Reihe von Häusern gelegt und verwandelten sie jetzt in frische Schutthalden. Doch das mit Kunstharz an der Brücke verschweißte Endstück des Drahtes im fliegenden Wolkenkratzer gab keinen Zentimeter nach.
Das Haus des Himmels blieb zurück. Es verschwand nicht hinter dem Horizont, sondern wurde
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