Ringwelt
»Wir müssen mit den Eingeborenen verhandeln. Vielleicht haben sie heilige Geräte, mit denen wir diesem Draht beikommen können. Außerdem hatten diese Kerle ja drei Tage lang Zeit, sich mit dem Draht auseinanderzusetzen!«
»Dann muß ich Sie begleiten!« rief Nessus. Der Puppetier erschauerte.
»Dolmetscher, Sie beherrschen die Landesprache leider nur mangelhaft. Halrlorprillalar muß an Bord bleiben, um im Notfall das Gebäude rasch startklar zu machen. - Louis, könnte man Teelas eingeborenen Liebhaber dazu bewegen, mit den Leuten hier zu unseren Gunsten zu verhandeln?«
Louis zuckte zusammen, als Nessus in solchen Worten von Teelas neuem Freund sprach. »Auch Teela hält den Mann nicht für ein Genie, Nessus. Ich traue ihm nicht zu, daß er erfolgreich für uns verhandeln kann.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht. Louis, brauchen wir diesen Sonnenblendendraht denn wirklich so nötig?«
»Ich weiß es nicht hundertprozentig, Nessus. Aber mein gesunder Menschenverstand sagt mir, daß wir ohne ihn nicht auskommen.«
»Also gut, Louis«, meinte der Puppetier ergeben. »Ich werde euch begleiten!« Wieder zitterte Nessus wie Espenlaub.
»Meinetwegen brauchen Sie nicht mitzugehen«, sagte Louis. Doch Nessus erwiderte mit leidenschaftsloser, klarer Stimme, die in merkwürdigem Kontrast zu seinen unwillkürlichen Reaktionen stand: »Ich weiß, daß wir den Draht brauchen! Welchem Zufall verdanken wir es wohl, daß uns der Draht so bequem in den Schoß fällt? Alle Zufälle verdanken wir Teela Browns Glück. Das haben Sie mir selbst gesagt, Louis. Wenn wir den Draht nicht benötigen, läge er nicht hier!«
Louis atmete auf. Nicht weil Nessus' Begründung einen Sinn gehabt hätte (sie hatte keinen), sondern weil er jetzt die Mannschaft geschlossen hinter sich wußte, ohne eine Erklärung abgeben zu müssen.
Hintereinander verließen sie jetzt den fliegenden Wolkenkratzer und stiegen die Rampe hinunter. Louis hatte sich mit einem Laser ausgerüstet. Der Dolmetscher trug das Slaver-Grabwerkzeug. Die Muskeln des Kzin bewegten sich wie Wellen bei jedem seiner Schritte unter dem frisch gewaschenen orangefarbenen Fell. Nessus stieg als letzter von der Rampe. Er war unbewaffnet und verließ sich auf den Tasp und die Position des Hintersten.
Auch der »Sucher« verließ das Schiff, sein schwarzes Schwert schlagbereit vor der Brust. Seine großen schwielenbedeckten Füße patschten über die Stufen. Er war nackt bis auf das Fell um die Lenden. Seine Muskeln spielten unter der Haut.
Teela begleitete ihn, ebenfalls unbewaffnet.
Eigentlich sollten die beiden im Schiff zurückbleiben. Doch Nessus hatte es anders verfügt.
Louis hatte den Puppetier als Dolmetscher eingeschaltet, als er Teela Brown dem Schwertkämpfer zum Verkauf anbot.
Der Schwertkämpfer oder »Sucher«, wie er sich nannte, hatte sofort zugestimmt und als Kaufpreis eine Kapsel voll Ringwelt-Verjüngungsmittel angeboten. Damit konnte man sich fünfzig Jahre Jugend einhandeln.
»Diesen Preis akzeptiere ich«, hatte Louis sofort gesagt. Das Angebot konnte sich wirklich sehen lassen. Selbstverständlich hatte Louis Wu nicht vor, dieses Mittel an sich selbst auszuprobieren. Er wußte ja nicht, ob es sich mit seinem eigenen Medikament vertrug, das er seit hundertundsiebzig Jahren einnahm.
»Ich wollte ihn nicht beleidigen, Louis«, sagte Nessus später, »er sollte nicht glauben, daß er ein >billiges< Mädchen bekomme. Deshalb steigerte ich den Preis. Teela gehört ihm jetzt. Sie haben das Verjüngungsmittel, das Sie später auf der Erde analysieren lassen können. Der >Sucher< wird uns auserdem als Leibwächter zur Verfügung stehen, bis wir den Draht geborgen haben.«
»Dieser Wilde soll uns mit seinem Küchenmesser beschützen?«
»Diese Zusatzbedingung sollte doch nur sein Selbstbewußtsein stärken, Louis.«
Teela hatte sofort verlangt, ihren Mann begleiten zu dürfen. Ihr Mann sollte ein gefährliches Abenteuer bestehen. Sie konnte ihn nicht allein lassen. Louis hatte den Verdacht, daß der Puppetier im stillen damit gerechnet hatte. Teela war noch immer Nessus' Glücksanhänger.
Im grauweißen Licht der Mittagssonne schritten sie auf eine Wolke zu, die sich mindestens zehn Stockwerke hoch vor ihnen auftürmte.
»Nicht anrühren!« warnte Louis. Er dachte an das Mädchen, das ein paar Finger verloren hatte, als es versuchte, den Draht aufzuheben.
Auch aus der Nähe sah das Zeug noch aus wie schwarzer Rauch. Und hinter dieser »Wolke« sah man
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