Ringwelt
Universum.
(Man nehme ein dunkelblaues, ein Zoll breites Seidenband, wie man sie zum Einwickeln von Weihnachtsgeschenken verwendet. Dann setze man eine brennende Kerze auf den Boden, wickle ungefähr zwanzig Meter Band ab und drapiere es im Kreis um diese Kerze im Mittelpunkt herum, wobei man das Band hochkant stellt, damit seine innere Seite das Kerzenlicht reflektiert.) Doch der Schwanz des Kzin wischte immer hin und her, hin und her.
(Schließlich war das ja keine Kerze in der Mitte. Das war eine Sonne!) »Inzwischen wissen Sie«, sagte Chiron, »daß wir uns in den letzten zweihundertundvier Jahren irdischer Zeitrechnung entlang der galaktischen Achse nach Norden bewegen. Nach kzintischer Zeitrechnung sind das ...«
»Zweihundertundsiebzehn Jahre.«
»Richtig. Während dieser Zeit haben wir natürlich auf unserem Kurs den Raum nach möglichen Gefahren und unerwarteten Hindernissen abgesucht. Wir erfuhren dabei, daß der Stern EC-1752 von einem uncharakteristisch dichten und schmalen Band aus dunkler Materie umgeben war. Wir nahmen an, daß dieser Ring aus Staub oder Stein bestand. Doch er hatte eine überraschend geometrische Form.
Vor ungefähr neunzig Tagen erreichte unsere Planetenflotte eine Position, die uns den Ring unter dem Aspekt einer totalen Sonnenfinsternis zeigte. Wir entdeckten, daß der Ring scharfe Konturen aufwies. Außerdem stellten wir rest, daß er weder aus Gas noch aus Staub und auch nicht aus asteroidem Gestein bestand, sondern ein homogenes Band von erheblicher elastischer Stärke darstellte. Selbstverständlich beunruhigte uns diese Entdeckung sehr.«
»Wie konnten Sie die Festigkeit des Materials feststellen?« erkundigte sich der Kzin.
»Die Spektralanalyse und der Wechsel in den Frequenzen lieferten uns die Werte zur Bestimmung der relativen Geschwindigkeitsdifferenz. Der Ring rotiert um seine Sonne mit einer Geschwindigkeit von 770 Meilen pro Sekunde. Die Geschwindigkeit reicht aus, um die Anziehungskraft der Sonne zu überwinden, und sorgt noch für eine zusätzliche zentripetale Beschleunigung von 9,94 Meter pro Sekunde. Nun überlegen Sie sich, wie reißfest das Material sein muß, wenn es diese Zentripetalkraft aushalten kann.«
»Schwerkraft«, sagte Louis.
»Offensichtlich.«
»Schwerkraft. Eine Idee geringer als auf der Erde. Und auf der Innenseite des Ringes muß es Lebewesen geben. Wau«, rief Lous Wu, als ihm die volle Bedeutung seiner Vermutung aufging, und die kleinen Härchen richteten sich entlang seiner Wirbelsäule auf. Er hörte das wischende Geräusch des Tigerschwanzes, der durch die Luft schnitt.
Es war nicht das erste Mal, daß Menschen ihre Meister gefunden hatten. Doch bisher hatten sie Glück gehabt .
Abrupt erhob sich Louis von der Couch und ging auf die Kuppelwand zu. Das funktionierte nicht. Der Ring und der Stern wichen vor ihm zurück, bis er eine glatte Fläche berührte, und er entdeckte etwas, was ihm bisher entgangen war. Der Ring war gemustert. Auf der mattblauen Innenseite lösten sich helle und rechteckige Schatten mit regelmäßigen Zwischenräumen ab.
»Können Sie die Projektion schärfer einstellen?«
»Wir können sie vergrößern«, erwiderte die Ternorstimme. Der K9-Stern schoß nach vorne und glitt dann wie ein Blitz nach rechts davon, so daß Louis nun die beleuchtete Innenfläche des Ringes betrachten konnte. Die Vergrößerung war ziemlich verschwommen. Louis konnte nur vermuten, daß auf der konkaven Innenfläche die hellen weißen Bereiche Wolkenflächen darstellten, die Schatten in dunklerem Blau Festland, während das hellere Blau Wasserflächen sein mußten.
Aber die Schattenflächen wiesen ziemlich genaue Grenzen auf. Der Ring schien aus Rechtecken zusammengesetzt - einem langen Streifen von schimmerndem Babyblau folgte ein kürzerer Streifen von dunklem Aquamarin, an den sich dann wieder ein hellblauer Streifen anschloß. Dazwischen waren Punkte und Striche zu erkennen.
»Irgend etwas muß doch diese Schatten erzeugen«, murmelte Louis. »Irgend etwas dazwischen auf einer Umlaufbahn!«
»Genau das. Zwanzig rechteckige Massenkörper oder Blenden rotieren in einer Kemplerer-Rosette um die Sonne auf einer Innenumlaufbahn. Aber wir wissen nicht, zu welchem Zweck.«
»Sie kommen nicht auf die Lösung, weil es schon so lange her ist, seit Sie Ihre eigene Sonne aufgegeben haben. Diese Rechtecke in der Umlaufbahn um die Sonne dienen wahrscheinlich dazu, den Wechsel von Tag und Nacht zu erzeugen. Sonst wäre es auf der
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