Ripley Under Ground
ihres Mannes nicht, dachte Tom; oder sie verstand sie wenigstens nicht.
»Was war das für eine Theorie, Mrs. Murchison?« fragte Webster interessiert.
»Ach, es ging da um die Purpurfarben in Mr. Derwatts späteren Bildern, oder in einigen der Bilder. Darüber hat er doch sicher mit Ihnen gesprochen, Mr. Derwatt?«
»Doch, ja. Er sagte, das Rot in meinen früheren Bildern sei dunkler. Das ist durchaus möglich.« Er lächelte leicht. »Ich hatte es selbst noch gar nicht bemerkt. Wenn es jetzt heller ist, dann ist es dafür wohl voller. Zum Beispiel bei der ›Wanne‹, die da draußen hängt.« Ohne zu überlegen hatte Tom ein Bild genannt, das Murchison genauso für eine Fälschung gehalten hatte wie seine ›Uhr‹, weil in beiden Bildern die Purpurfarben in reinem Kobaltlila wiedergegeben waren wie in den früheren Gemälden.
Niemand sagte etwas darauf.
»Ach ja, übrigens«, sagte Tom zu Jeff, »ihr wolltet doch heute morgen die französische Polizei anrufen und sagen, daß ich zurück sei in London. Ist das geschehen?«
Jeff erschrak. »Nein. Tatsächlich, das habe ich glatt vergessen.«
»Mr. Derwatt«, fing Mrs. Murchison wieder an, »hat mein Mann irgend etwas erwähnt, daß er außer Mr. Ripley noch jemand in Frankreich aufsuchen wollte?«
Tom überlegte. Sollte er sie ins Blaue losschicken – oder lieber ehrlich sein? Er sagte ganz offen: »Nein, nicht daß ich wüßte. Aber Mr. Ripley hat er mir gegenüber auch nicht erwähnt.«
»Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten, Mrs. Murchison?« fragte Ed liebenswürdig.
»Oh, vielen Dank, nein.«
»Möchte sonst jemand Tee? Oder einen Sherry?«
Niemand wollte etwas trinken oder mochte es zugeben. Vielmehr schien Mrs. Murchison die Frage als Signal zum Aufbruch zu nehmen. Sie wollte zunächst jetzt Mr. Ripley anrufen, dessen Telefonnummer ihr der Inspektor gegeben hatte, und mit ihm eine Verabredung treffen.
Jeff, der es an Kaltblütigkeit mit Tom aufnahm, fragte freundlich: »Wollen Sie ihn von hier aus anrufen, Mrs. Murchison?« und wies auf den Apparat auf seinem Schreibtisch.
»Nein, danke schön, ich rufe vom Hotel aus an.«
Tom erhob sich, als Mrs. Murchison sich verabschiedete. Auch Webster wollte gehen. Er fragte:
»In welchem Hotel wohnen Sie hier in London, Mr. Derwatt?«
»Ich wohne bei Mr. Constant, in seinem Atelier.«
»Darf ich fragen, wie Sie nach England gekommen sind?« Der Inspektor lächelte strahlend. »Die Einwanderungsbehörden haben gar keine Eintragung von Ihnen.«
Die Frage hatte Tom erwartet; sein Gesicht nahm einen nachdenklichen und etwas vagen Ausdruck an. »Ich habe jetzt einen mexikanischen Paß. Und in Mexiko führe ich einen anderen Namen.«
»Sind Sie geflogen?«
»Nein, ich bin mit dem Schiff gekommen. Ich mag keine Flugzeuge.« Jetzt mußte die Frage kommen, ob er in Southampton oder wo sonst angekommen war, aber Webster sagte nur:
»Danke schön, Mr. Derwatt. Auf Wiedersehen.«
Wenn er das nachprüfte, was würde er dann finden? Wie viele Reisende aus Mexiko waren vor vierzehn Tagen in London angekommen? Sicher nicht allzuviele.
Jeff schloß wieder die Tür. Sekundenlang herrschte Schweigen, bis die Gäste außer Hörweite waren. Jeff und Ed hatten die letzten Worte gehört.
»Wenn er das nachprüft«, sagte Tom, »dann muß ich mir was Neues einfallen lassen.«
»Und was?« fragte Ed.
»Och – zum Beispiel einen mexikanischen Paß«, erwiderte Tom. »Ich hab´s gewußt, daß ich schnell wieder nach Frankreich zurück muß.« Er sprach mit Derwatts Stimme, aber beinahe im Flüsterton.
»Aber doch nicht etwa heute abend noch?« fragte Ed.
»Nein, heute nicht. Ich habe doch gesagt, ich bliebe bei Jeff, weißt du nicht mehr?«
»Großer Gott«, sagte Jeff erleichtert, aber er fuhr sich mit dem Taschentuch über den Nacken.
»Wir haben´s geschafft«, sagte Ed feierlich und hielt sich die gespreizte Hand vor das Gesicht.
»Mensch, wenn wir bloß feiern könnten!« sagte Tom plötzlich. »Aber wie soll ich das machen mit diesem blödsinnigen Bart? Ich konnte heute mittag ja nicht mal die Käsesauce richtig essen! Und jetzt muß ich den Bart noch den ganzen Abend anbehalten!«
»Und auch noch damit schlafen!« schrie Ed und bog sich vor Lachen.
»Gentlemen –« Tom richtete sich auf und ließ sich gleich wieder fallen. »Ich muß jetzt leider mal mit Heloise telefonieren. Darf ich, Jeff? Ist ja Selbstwähldienst, ich hoffe, es erscheint nicht auf deiner Rechnung, aber selbst wenn – es muß einfach sein.« Er nahm den
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