Ripley Under Ground
erst sanften und dann etwas energischeren Anstößen von Ed.
»Er ging etwas gebückt«, sagte Bernard. »Die Stimme – wenn Leute da waren, war er leicht schüchtern. Bißchen monoton klang sie wohl. So wie ich jetzt, wenn ich es richtig mache«, sagte Bernard mit eintöniger Stimme. »Ab und zu lachte er.«
»Wie wir alle, nicht?« sagte Tom und lachte etwas nervös. Er saß auf einem Stuhl und ließ sich von Ed kämmen. Rechts von ihm lag etwas, das aussah wie vom Friseur zusammengefegte Haare, aber als Ed es leicht schüttelte, sah man einen Bart, der auf ganz feine fleischfarbene Gaze geheftet war. »Menschenskind – ich hoffe, das Licht ist nicht zu hell«, sagte Tom.
»Dafür werden wir schon sorgen«, entgegnete Ed. Während Ed sich mit einem Schnurrbärtchen zu schaffen machte, zog Tom seine beiden Ringe ab, seinen Ehering und den von Dickie Greenleaf, die er beide in die Tasche steckte. Er bat Bernard, ihm den Ring aus seiner linken Hosentasche zu geben, was auch geschah. Bernards dünne Finger waren kalt und bebten. Tom wollte ihn nach Cynthia fragen, dann fiel ihm ein, daß Bernard sich von ihr getrennt hatte. Sie hatten mal die Absicht gehabt zu heiraten, daran erinnerte sich Tom. Ed schnippelte an Toms Haar herum; vorn sollte ein Büschel stehen.
»Und Derwatt –« Bernard brach ab, die Stimme kippte um.
»Ach, hör doch auf, Bernard.« Ed lachte hysterisch.
Auch Bernard lachte. »Entschuldige. Tut mir leid – wirklich.« Es klang ehrlich reuevoll.
Jetzt wurde mit Klebstoff der Bart angeheftet.
Ed sagte: »Du mußt hier mal ein bißchen hin- und hergehen, Tom, damit du dich dran gewöhnst. In der Galerie wirst du – also du brauchst nicht den Haupteingang zu benutzen, das haben wir uns überlegt. Da ist eine Hintertür; Jeff macht uns auf. Ein paar von den Journalisten werden wir nach hinten ins Büro einlassen, weißt du, und da haben wir nur eine Stehlampe an. Die kleine Lampe haben wir herausgenommen und auch die Birne aus der Deckenlampe, die kann also gar nicht angehen.«
Der angeklebte Bart fühlte sich ganz kühl an auf der Haut. Tom besah sich im Spiegel in der Toilette und fand, er sähe ein bißchen aus wie D. H. Lawrence. Auch um den Mund herum waren Barthaare; das störte ihn. Unter dem Spiegel standen auf einer kleinen Konsole drei Fotos von Derwatt: einmal in Hemdsärmeln auf einem Liegestuhl, ein Buch in der Hand, einmal der Kamera zugewandt, neben einem Mann, den Tom nicht kannte. Auf allen Bildern trug Derwatt eine Brille.
»Die Brille«, sagte Ed, als habe er Toms Gedanken gelesen.
Tom nahm die runde Brille, die Ed ihm reichte, und setzte sie auf. Das war schon besser. Er lächelte vorsichtig, um den Klebstoff nicht loszulösen. Die Brille hatte offenbar Fensterglas. Tom ging leicht gebeugt ins Atelier zurück und sagte mit einer Stimme, die hoffentlich ähnlich klang wie die von Derwatt:
»Nun erzählt mir mal was von diesem Murchison –«
»Tiefer!« verlangte Bernard. Die knochigen Hände fuhren wild durch die Luft.
»Von diesem Murchison«, wiederholte Tom.
»Ja«, sagte Bernard. »Jeff glaubt, Murchison ist der Ansicht, daß Derwatt eine frühere Technik wiederaufgenommen hat. Nämlich in seinem Bild ›Die Uhr‹. Also ehrlich gesagt, ich weiß nicht genau, was er meint.« Bernard schüttelte hastig den Kopf, zog ein Taschentuch heraus und schneuzte sich. »Ich habe mir gerade mal ein Foto – eins von Jeffs Fotos von der ›Uhr‹ angesehen. Ich hatte es drei Jahre nicht gesehen. Das Bild selbst, meine ich.« Er sprach leise, als ob die Wände zuhörten.
»Ist dieser Murchison Fachmann?« fragte Tom und überlegte dabei: was ist eigentlich ein Fachmann?
»Nee, er ist bloß Geschäftsmann. Amerikaner«, erwiderte Ed. »Er sammelt Bilder. Und er hat ´n Floh im Ohr.«
Nein, es war doch wohl mehr als das, sonst wären sie nicht alle so betroffen, dachte Tom. »Muß ich auf irgendwas Spezielles gefaßt sein?«
»Nein«, sagte Ed. »Das muß er doch nicht, Bernard, oder?«
Bernard fuhr fast zurück und versuchte dann zu lachen. Einen Augenblick lang sah er so aus wie damals, vor Jahren: jünger, fast kindlich. Er war viel dünner als vor drei oder vier Jahren, als sie sich zuletzt gesehen hatten, dachte Tom.
»Wenn ich das wüßte«, sagte Bernard. »Du mußt – du mußt einfach fest dabeibleiben, daß das Bild ›Die Uhr‹ von Derwatt stammt.«
»Werd ich«, erwiderte Tom. Er ging auf und ab und übte das leicht gebeugte Schreiten, nicht zu schnell. Hoffentlich war es so
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