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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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können Sie das kleine Zimmer für M. Bernard zurechtmachen – ?« Das war ein zweites und selten benutztes Gastzimmer mit nur einem Bett; Tom und Heloise nannten es immer ›das kleine Zimmer‹. »Und M. Bernard wird heute abend mit uns essen.« Dann fragte er Bernard: »Wie bist du hergekommen? Per Taxi von Melun? Oder Moret?«
»Ja, von Melun. Ich hab´s mir in London auf der Karte angesehen.« Schmal und eckig, wie seine Handschrift, stand Bernard da und rieb sich die Hände. Selbst sein Jackett sah naß aus.
»Soll ich dir einen Pullover geben, Bernard? Möchtest du nicht einen Kognak zum Aufwärmen?«
»Nein, nein, danke schön.«
»Komm doch ins Wohnzimmer. Wie wär´s mit Tee? Ich werd´s Madame sagen, wenn sie runterkommt. Setz dich doch, Bernard.«
Bernard sah bänglich zu Tom herüber, als warte er, daß Tom sich zuerst setze oder so etwas. Doch Tom merkte in den nächsten Minuten, daß Bernard alles bänglich ansah, sogar den Aschbecher auf dem kleinen Tischchen. Die Unterhaltung, soweit man sie so nennen konnte, ging nur sehr mühsam und stockend voran; es war deutlich zu sehen, daß Bernard Chris weit weg wünschte. Chris schien das jedoch nicht zu merken; er schien im Gegenteil anzunehmen, seine Gegenwart sei vielleicht nützlich, weil Bernard offensichtlich sehr erregt war. Er stotterte, und seine Hände flogen.
»Ich werd dich gewiß nicht lange stören«, sagte er jetzt.
Tom lachte. »Na, heute abend kannst du nicht mehr weg! Wir haben im Augenblick das schlimmste Wetter, das ich je erlebt habe in den drei Jahren seit ich hier wohne. Hatte deine Maschine keine Schwierigkeiten bei der Landung?«
Das wußte Bernard nicht mehr. Seine Augen wanderten zu dem Bild – seinem Bild – über dem Kamin, dem ›Mann im Sessel‹, und dann wieder weg.
Tom dachte an das Kobaltblau in dem Bild, das jetzt auf ihn wirkte wie ein chemisches Gift. Und sicher auch auf Bernard. »Du hast ›Die roten Stühle‹ lange nicht gesehen«, sagte Tom und stand auf. Das Bild hing an der Wand hinter Bernard.
Bernard stand auf und drehte sich um, die Beine noch ans Sofa gepreßt. Er belohnte Tom mit schwachem, doch aufrichtigem Lächeln. »Ja, es ist schön«, sagte er still.
»Sind Sie Maler?« fragte Chris.
»Ja.« Bernard setzte sich wieder. »Aber ich bin nicht so gut wie – wie Derwatt.«
Mme. Annette war von oben heruntergekommen, sie trug Handtücher oder etwas Ähnliches über dem Arm.
»Mme. Annette, würden Sie wohl etwas Teewasser aufsetzen?« fragte Tom.
»Gern, sofort, M. Tome.«
»Können Sie mir sagen, wann ein Maler gut ist und wann nicht?« sagte Christopher zu Bernard. »Mir kommt es zum Beispiel so vor, als ob heute mehrere Maler so arbeiten wie Derwatt. Ich weiß die Namen nicht aus dem Kopf, sie sind natürlich nicht so berühmt. Ja, doch – Parker Nunnally ist einer. Kennen Sie seine Bilder? Was ist es bei Derwatt, was macht seine Bilder so gut?«
Tom dachte nach, was er dazu sagen würde. Vielleicht ›Originalität‹. Auch ›Publicity‹ fiel ihm ein. Er wartete auf Bernards Antwort.
»Seine Persönlichkeit«, sagte Bernard langsam. »Es ist eben Derwatt.«
»Sie kennen ihn?« fragte Chris.
Ein Stich durchfuhr Tom – und eine Welle des Mitgefühls für Bernard.
Bernard nickte: »O ja.« Die knochigen Hände umfaßten das eine Knie.
»Spüren Sie etwas von seiner Persönlichkeit, wenn Sie bei ihm sind? Ich meine, wenn Sie ihn sehen?«
»Ja«, sagte Bernard mit etwas festerer Stimme. Aber man sah: er wand sich – vielleicht vor Schmerz – bei dieser Unterhaltung; und gleichzeitig schienen die dunklen Augen nach weiteren Worten zu suchen, die er noch sagen wollte.
»Das war wahrscheinlich eine dumme Frage«, sagte Chris. »Künstler tragen ja meistens ihre Persönlichkeit nicht vor sich her, und mit dem inneren Feuer gehen sie im Privatleben auch sparsam um, glaube ich. Auf den ersten Blick ist meist gar nichts Besonderes an ihnen.«
Der Tee kam.
»Hast du gar keinen Koffer mit, Bernard?« fragte Tom. Er wußte, daß Bernard keinen hatte, und machte sich Gedanken, was ihm fehlen könnte.
»Nein – ich bin nur auf einen Sprung rübergekommen«, sagte Bernard.
»Macht nichts – ich kann dir alles geben, was du brauchst.« Tom merkte, daß Chris ihn und Bernard ansah und sich wahrscheinlich fragte, woher und wie gut sie sich kannten. »Hungrig?« fragte Tom. »Weißt du, meine Haushälterin macht mit Leidenschaft Sandwiches.« Mme. Annette hatte mit dem Tee nur Petit-fours hereingebracht. »Sie

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