Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
Haushälterin auftauchen, würde er stehenbleiben. Wie er noch wußte, hatte er damals beschlossen, die beiden Ringe an Murchisons Fingern nicht abzuziehen. Gebiß, Zahnarztunterlagen? Ob Pritchard in Amerika so weit gegangen war, sich Fotokopien von Polizeiakten zu besorgen, womöglich über die Frau des Toten? Tom merkte, daß er sich so quälte, weil er im Augenblick nicht hinausgehen konnte, um sich gründlich anzuschauen, was dort in seinem Kombi lag: Madame Annette war in der Küche, dort gab es ein Fenster, der Wagen stand davor, parallel zur Hauswand – falls sie hinausspähte (doch warum sollte sie?), könnte sie eine Ecke des Segeltuchbündels vielleicht gerade noch ausmachen. Und um halb zehn kam der Briefträger.
    Er würde einfach gleich den Kombi in die Garage fahren und nachsehen. Doch zuerst rauchte er in aller Ruhe die Zigarette fertig, nahm sein Schweizer Taschenmesser vom Tisch in der Diele, steckte es ein und holte sich aus dem Korb am Kamin eine Handvoll alter zusammengefalteter Zeitungen.
    Tom fuhr den roten Mercedes rückwärts aus der Garage, damit er Ed Banbury abholen konnte, und parkte statt dessen den weißen Kombi ein. Manchmal arbeitete er in der Garage mit einem kleinen Staubsauger, den er an die Steckdose dort anschloß – jetzt konnte Madame Annette also ruhig spekulieren, was er vorhaben mochte. Das Garagentor stand rechtwinklig zum Küchenfenster, dennoch zog Tom den Flügel auf der Seite des Kombis zu. Die andere Seite, wo der braune Renault stand, ließ er offen. Dann schaltete er rechts an der Wand das Licht an – eine Glühbirne in einem Drahtkorb.
    Wieder kletterte er in den flachen Fond des Kombi und zwang sich nachzusehen, wo das Kopfende des Planenbündels war. Was nicht leicht war, und gerade als Tom klar wurde, daß die Leiche für Murchisons Körper recht kurz war, bemerkte er auch, daß der Kopf fehlte – er war abgefallen, vom Körper getrennt. Tom überwand sich erneut und tastete beide Enden ab, die Füße, die Schultern.
    Kein Kopf.
    Beruhigend, denn das bedeutete: keine Zähne, kein Nasenbein, keine sonstigen charakteristischen Merkmale. Tom kletterte hinaus, ließ die Wagenfenster auf der Fahrer- und Beifahrerseite herunter. Ein merkwürdiger Moschusgeruch ging von dem Segeltuchbündel aus; es roch nicht nach Tod, sondern nach triefender Nässe. Tom fiel ein, daß er nach den Händen sehen mußte, wegen der Ringe. Kein Kopf. Wo war der dann? Vermutlich trieb ihn die Strömung irgendwo dem Meer zu. Oder rollte er vielleicht wieder zurück? Nein, nicht in einem Fluß.
    Schnell stieg er aus, wollte sich auf einen Werkzeugkasten setzen, der aber zu niedrig war, und lehnte sich schließlich tiefgebeugt gegen den vorderen Kotflügel. Er war einer Ohnmacht nahe. Konnte er es riskieren, zu warten, bis Ed eintreffen würde, zur moralischen Unterstützung? Tom sah ein, daß er im Moment nicht in der Lage war, die Leiche weiter zu untersuchen. Er würde sagen…
    Tom richtete sich auf, zwang sich, klar zu denken. Sollte Pritchard mit der Polizei auftauchen, würde er sagen: Natürlich habe er dafür sorgen müssen, daß seine Haushälterin dieses ekelhafte Gerippe nicht zu Gesicht bekam (einige Knochen hatte er tatsächlich gesehen, ganz sicher gefühlt); das sei ein Gebot des Anstands. Und er habe sich zu sehr geekelt, um selber die Polizei zu verständigen.
    Trotzdem wäre es äußerst unangenehm, falls die Polizei, von Pritchard gerufen, gerade dann in Belle Ombre einträfe, wenn er unterwegs wäre und Ed Banbury von Roissy abholte. Madame Annette müßte mit den Beamten reden; die würden bestimmt nach der Leiche suchen, die Pritchard erwähnt hatte, und nicht allzu lange brauchen, bis sie fündig würden. Keine halbe Stunde, schätzte Tom. Er hielt sein Gesicht unter einen Wasserhahn draußen an der Hauswand zum Waldweg.
    Schon besser. Doch er wartete auf Ed, das spürte er – seine Gegenwart würde ihm Mut machen.
    Und wenn es nicht Murchison war, sondern die Leiche eines andern? Komisch, was einem im Kopf herumgehen konnte. Dann aber rief sich Tom ins Gedächtnis, daß ihm die dunkelbraune Plane doch nur allzu vertraut war: Die hatten Bernard und er in jener Nacht verwendet.
    Angenommen, Pritchard fischte weiter nach dem Kopf, in der Nähe des Leichenfundorts? Was wohl die Leute in Voisy sagten? Ob einer von ihnen etwas bemerkt hatte? Die Chancen standen fünfzig zu fünfzig, vermutete Tom. Oft ging jemand aus dem Dorf am Flußufer spazieren und überquerte die

Weitere Kostenlose Bücher