Ripley Under Water
köstlichen Lammkoteletts und den guten Rotwein. »Ed, alter Junge, ich bin dir sehr dankbar«, sagte er leise. Ein schneller Blick nach links, wo inzwischen drei Gäste saßen. »Du könntest nämlich verletzt werden. Wie genau, kann ich allerdings nicht sagen, weil ich Pritchard etwa noch nie mit einer Pistole gesehen habe.« Tom senkte den Kopf und fuhr wie im Selbstgespräch fort: »Kann sein, daß ich auf den Hurensohn mit blanken Fäusten losgehen muß. Ihn ein für allemal fertigmachen, was weiß ich.«
Die Worte hingen in der Luft.
»Ich bin ziemlich stark«, verkündete Jeff zuversichtlich. »Das könnte nützlich sein, Tom.«
Wahrscheinlich stärker als Ed, dachte Tom, denn Jeff war größer und schwerer. Andererseits sah Ed so aus, als könnte er im Notfall schneller sein. »Wir müssen alle in Form bleiben , n’est-ce pas ? Also, wer hätte gern ein schön süßes sahniges Dessert?«
Jeff wollte die Rechnung übernehmen. Tom lud sie auf einen Calvados ein.
»Wer weiß, wann wir uns wiedersehen – so zu dritt?« bemerkte er.
Die Wirtin sagte, der Calvados gehe aufs Haus.
Als Tom erwachte, trommelte der Regen gegen die Fensterscheiben, nicht stark, aber entschlossen. Tom schlüpfte in den neuen Morgenmantel, an dem noch das Preisschild hing, wusch sich im Bad und ging in die Küche. Ed war wohl noch nicht aufgestanden. Tom setzte Wasser auf und brühte sich einen starken Filterkaffee. Dann duschte er kurz, rasierte sich und band gerade den Schlips um, als der andere auftauchte.
»Ein schöner Tag! Guten Morgen«, sagte Ed lächelnd. »Wie du siehst, trage ich meinen neuen Morgenmantel.«
»Das ist mir nicht entgangen.« Tom dachte an den Anruf bei Madame Annette: Zum Glück war es in Frankreich schon eine Stunde später –; in etwa zwanzig Minuten könnte sie vom Einkaufen zurück sein. »Ich habe Kaffee fertig. Wenn du welchen willst… Was ist mit meinem Bett?«
»Mach es erst mal. Dann sehen wir weiter.« Ed ging in die Küche.
Tom war froh, daß Ed ihn gut genug kannte und wußte, er würde das Bett entweder machen oder es abziehen wollen – was Ed erwidert hatte, war eine Einladung, notfalls noch eine Nacht zu bleiben. Ed schob ein paar Croissants zum Aufbacken in den Ofen, Orangensaft gab es auch. Tom trank den Saft, konnte aber nichts essen: Er war zu angespannt.
»Um zwölf soll ich versuchen, Héloïse anzurufen«, begann er. »Weiß nicht mehr, ob ich’s dir gesagt habe.«
»Kannst gerne von hier telefonieren, versteht sich.«
Tom mußte daran denken, daß er womöglich mittags nicht mehr hier sein würde. »Danke. Wir werden ja sehen.« Als dann das Telefon klingelte, schrak er zusammen.
Nach Eds ersten Worten wußte er, daß der Anruf geschäftlich war. Es ging um den Text zu einem Bild.
»Okay, klar, wird gemacht«, sagte Ed. »Ich habe den Durchschlag hier… Rufe vor elf zurück. Kein Problem.«
Tom sah auf seine Uhr: Seit dem letzten Mal war der Minutenzeiger kaum vorgerückt. Er überlegte, ob er sich von Ed einen Regenschirm leihen und auf einem Spaziergang die Zeit totschlagen sollte – er könnte in der Galerie Buckmaster vorbeischauen und eine Zeichnung aussuchen, die er gern kaufen würde. Eine Arbeit von Bernard Tufts.
Ed kam zurück und ging sich wortlos einen Kaffee holen.
»Ich werd’s jetzt in Villeperce versuchen«, sagte Tom und stand vom Küchenstuhl auf.
Im Wohnzimmer wählte er Belle Ombres Nummer und ließ es achtmal klingeln. Nach dem dritten Versuch gab er auf.
»Sie ist einkaufen gegangen. Vielleicht auf ein Schwätzchen«, fügte er lächelnd hinzu. Aber es war ihm schon früher aufgefallen, daß Madame Annette allmählich schwerhörig wurde.
»Versuch’s später wieder, Tom. Ich zieh mich jetzt an.« Ed ging.
Kurz darauf rief Tom noch mal an, und sie hob beim fünften Klingeln ab.
» Ah, Monsieur Tomme! Wo sind Sie?«
»Noch in London, Madame. Gestern hab ich mit Ma-dame Héloïse gesprochen. In Casablanca. Es geht ihr gut.«
»Casablanca! Und wann kommt sie nach Hause?«
Tom lachte. »Wie soll ich das wissen? Ich rufe an, um Sie zu fragen, wie die Lage in Belle Ombre ist.« Madame Annette würde jeden Herumtreiber melden, erst recht Monsieur Pritchard, sollte der so schnell zurückgekehrt sein und schon herumspionieren.
»Alles in Ordnung, Monsieur Tomme. Henri war nicht da, aber trotzdem…«
»Und wissen Sie zufällig, ob Monsieur Pritchard wieder in Villeperce ist?«
»Noch nicht, Monsieur, er war weg, kommt aber heute zurück.
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