Riptide - Mörderische Flut
sich erwartungsvoll die Hände. »Es ist fast acht«, sagte er. »Holen Sie Ihre Ausrüstung und machen Sie sich fertig.«
Hatch ging in seine Praxis, um seine Bereitschaftstasche mitzunehmen. Dann schloß er sich den anderen an, die den Hügel hinauf zum Orthanc stiegen.
» Merde , ist das kalt«, sagte Bonterre, die sich in die Hände blies und mit den Fäusten auf die Brust klopfte. »Und so was nennt ihr hier einen Sommermorgen.«
»Genießen Sie ihn«, antwortete Hatch. »Die Kälte ist gut für die Brustbehaarung.«
»Für so etwas habe ich leider überhaupt keine Verwendung, Monsieur le docteur .« Damit es ihr wärmer wurde, schlug Bonterre einen rascheren Schritt an, und als Hatch ihr folgte, merkte er, daß auch er ein wenig zitterte. Allerdings war er sich nicht sicher, ob das von der Kälte kam oder von der Angst, die er vor der Wassergrube hatte. Am Himmel zeichneten sich die dunklen, hoch aufgetürmten Gewitterwolken einer Schlechtwetterfront ab.
Als er den höchsten Punkt der Insel erreicht hatte, sah Hatch den Orthanc vor sich, von dessen stählernem Unterleib aus dicke Stränge farbiger Kabel in den Schlund der Wassergrube führten. Eigentlich stimmt dieser Name ja jetzt nicht mehr, dachte Hatch, denn die Grube war nun trockengelegt und wartete darauf, begangen zu werden und ihre Geheimnisse preiszugeben.
Hatch fröstelte abermals ein wenig und setzte sich wieder in Bewegung. Von hier oben aus konnte man die graue Sichel des Kofferdamms sehen, die in einem Bogen um die Südspitze der Insel führte. Es war ein bizarrer Anblick, der sich ihm da bot: Auf der einen Seite des Damms lag die blaue Fläche des Ozeans, die schon bald im die Insel umgebenden Nebel verschwand, auf der anderen Seite der felsige Meeresgrund, der Hatch in seiner Nacktheit fast schon obszön vorkam. Nur in ein paar Tümpeln und Pfützen war noch etwas Wasser verblieben. Hier und da konnte Hatch die orangefarbigen Markierungen erkennen, mit denen man die gesprengten Öffnungen der Flutstollen gekennzeichnet hatte. Später sollten diese wieder freigelegt und genauer untersucht werden. An der Küste hinter dem Kofferdamm fanden sich mehrere Haufen von verrostetem Eisenschrott, fauligem Holz und anderem Schutt, den die Bergungsmannschaft aus dem Hauptschacht der Wassergrube entfernt hatte, um sie überhaupt begehbar zu machen.
Streeter und seine Leute standen auf einer Plattform neben der Schachtöffnung und waren gerade damit beschäftigt, weitere Kabel zu verlegen. Als er näher kam, sah Hatch das Ende einer massiven Leiter über den Grubenrand ragen. Die Seitenteile bestanden aus dicken glänzenden Metallrohren, zwischen denen sich in regelmäßigen Abständen mit rutschfestem Gummi überzogene Doppelsprossen befanden. Hatch wußte, daß Streeters Arbeitsgruppe die halbe Nacht damit verbracht hatte, die Einzelteile dieser Leiter zusammenzuschrauben und in den Schacht hinabzulassen, was wegen der vielen alten Querbalken, an denen immer noch Reste von irgendwelchem Schrott hingen, kein leichtes Unterfangen gewesen war. »Sieht fast so aus wie eine Steroidleiter«, sagte Hatch und pfiff bewundernd durch die Zähne.
»Das ist mehr als bloß eine Leiter«, erklärte Neidelman. »Es ist eine Leiterkonstruktion, die das Rückgrat unseres Grubenausbaus bildet. Die Seitenteile sind aus einer Titanlegierung von extrem hoher Belastbarkeit, und nach und nach wollen wir daran weitere Titanstreben befestigen, die die Wände des Schachtes zuverlässig abstützen sollen. Wenn wir dann wirklich zu graben anfangen, kann nichts mehr einbrechen. Außerdem wollen wir einen kleinen Plattform-Lift an der Leiter anbringen, mit dem man bequem Menschen und Material transportieren kann.«
Er deutete auf eines der Seitenteile. »In jedem dieser Rohre laufen Glasfiber-, Koaxial-und Elektrokabel, und jede der Sprossen hat kleine Lampen zur Beleuchtung des Schachtes eingebaut. Sobald alles installiert ist, können wir die gesamte Konstruktion bis hin zu den automatischen Videokameras per Computer überwachen. Bisher ist es Freund Wopner allerdings noch nicht gelungen, das System mit all seinen Komponenten zu aktivieren, und das ist auch einer der Gründe, warum wir ihn auf unseren kleinen Ausflug heute mitnehmen.« Neidelman trat mit dem Fuß gegen den oberen Teil der Leiter. »Dieses Ding hat uns alles in allem fast zweihunderttausend Dollar gekostet und wurde extra für die Wassergrube gefertigt.«
Wopner, der die letzten Worte mitbekommen hatte, kam
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