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Riptide - Mörderische Flut

Riptide - Mörderische Flut

Titel: Riptide - Mörderische Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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dachte Hatch, während er seine abgegriffene Ausgabe von Mercks »Lexikon der Medizin« zur Hand nahm und innerhalb weniger Minuten eine deprimierend einfache Arbeitsdiagnose erstellte: Donny litt unter einer schweren Granulozytenleukämie. Die großflächigen Granulome der Haut, die suppurativen Lymphknoten und die extrem auffälligen und schmerzhaften perianalen Abszesse ließen eigentlich keinen anderen Schluß zu. Aber Granulozytenleukämie ist doch eine Erbkrankheit, dachte Hatch, die Unfähigkeit weißer Blutkörperchen, Bakterien zu vernichten. Warum sollte sie erst jetzt bei Donny auftreten?
    Er legte das Buch beiseite und ging langsam zurück ins Wohnzimmer.
    »Donny«, sagte er, »ich möchte noch einmal deine Kopfhaut untersuchen. Ich will wissen, ob dir die Haare wirklich in Büscheln ausfallen.«
    »Darauf kannst du Gift nehmen. Wenn das so weitergeht, sehe ich bald aus wie Yul Brynner.« Als er sich mit der Hand vorsichtig über den Kopf strich, bemerkte Hatch an deren Innenseite einen tiefen Schnitt, der ihm bisher entgangen war.
    »Zeig mir doch bitte mal deine Hand, Donny«, bat Hatch. Er rollte seinem Freund den Hemdsärmel hoch und untersuchte dessen Handgelenk. »Was ist denn das?«
    »Ach, das ist nichts. Nur ein Kratzer, den ich mir in der Grube geholt habe.«
    »Die Wunde muß gesäubert werden«, sagte Hatch und holte seine Bereitschaftstasche. Nachdem er den Schnitt gereinigt und desinfiziert hatte, bestrich er ihn mit einer antibakteriell wirkenden Salbe. »Wie ist denn das passiert?« fragte er.
    »Da habe ich mich an einer scharfen Kante geschnitten, als wir diese Titanleiter am Boden der Grube angebracht haben.«
    Hatch sah ihn erschreckt an. »Aber das war ja vor über einer Woche, und die Wunde sieht immer noch ganz frisch aus.« »Keine Ahnung, weshalb das so ist, aber das verdammte Ding platzt immer wieder auf, obwohl meine Frau mir jeden Abend Salbe draufgeschmiert hat.«
    Hatch besah sich die Wunde genauer. »Entzündet ist sie nicht«, stellte er fest. »Wie steht es eigentlich mit deinen Zähnen, Donny?«
    »Komisch, daß du danach fragst. Erst gestern habe ich bemerkt, daß einer meiner Schneidezähne ein wenig locker geworden ist. Vermutlich werde ich langsam alt.«
    Zahnausfall und Stillstand des Heilungsprozesses - genau wie bei den Piraten, schoß es Hatch durch den Kopf. Auch die Piraten hatten die unterschiedlichsten Krankheiten gehabt, aber diese beiden Symptome waren ihnen allen gemeinsam gewesen. Und jetzt traten sie auch bei einigen Arbeitern auf, die Jahrhunderte später in der Wassergrube zu tun hatten. Hatch schüttelte den Kopf. Diese Symptome waren eigentlich die klassischen Anzeichen für Skorbut; doch die anderen, exotischeren Krankheitsbilder schlossen diese Erkrankung aus. Trotzdem kam ihm das alles irgendwie bekannt vor. Wie hat Professor Horn gleich noch mal gesagt? Du mußt herausfinden, was hinter all diesen Krankheiten steckt. Also sollten wir nach gemeinsamen Symptomen suchen. Und die wären nun mal eine abnorm erhöhte Anzahl von weißen Blutkörperchen, Haar- und Zahnausfall, verlangsamter Heilungsprozeß, Übelkeit, Schwäche, Apathie…
    Auf einmal sah Hatch die Lösung mit überwältigender Klarheit vor sich. Er stand rasch auf. »Großer Gott…«, stammelte er.
    Je mehr Puzzle-Steinchen sich nun zu einem Gesamtbild fügten, desto grauenhafter erschienen ihm die Konsequenzen aus seiner Erkenntnis. Wie vom Donner gerührt blieb er eine ganze Weile mitten im Wohnzimmer stehen.
    »Ach, entschuldige mich bitte einen Augenblick«, sagte er schließlich zu Truitt und zog seinem alten Schulfreund die Wolldecke bis an die Schultern hoch. Dann wandte er sich ab und schaute auf die Uhr. Es war fast sieben. Nur noch ein paar Stunden, dann würde Neidelman die Schatzkammer erreicht haben.
    Hatch atmete einige Male tief durch und wartete, bis seine Knie aufhörten zu zittern. Dann ging er zum Telefon und wählte die Nummer der Zentrale auf Ragged Island.
    Er bekam keine Antwort.
    »Mist«, murmelte er und holte aus seiner Bereitschaftstasche das tragbare Funkgerät, das er für den Notfall immer bei sich hatte. Auf sämtlichen Kanälen von Thalassa waren nur Störgeräusche zu vernehmen.
    Hatch hielt einen Augenblick inne und dachte rasch über die Möglichkeiten nach, die ihm jetzt noch blieben. Ebenso rasch wurde ihm dann klar, daß er eigentlich keine Wahl hatte.
    Er trat in die Küche, wo der Professor gerade ein Dutzend Pfeilspitzen auf dem Tisch ausgelegt

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