Riptide - Mörderische Flut
hatte und Bonterre von den Ausgrabungen alter Indianersiedlungen an der Küste von Maine erzählte. Sie hatte einen begeisterten Ausdruck im Gesicht, der aber sofort verschwand, als sie Hatch sah.
»Isobel«, sagte er. »Ich muß zurück auf die Insel. Könnten Sie sich vielleicht darum kümmern, daß Donny umgehend in ein Krankenhaus eingeliefert wird?«
»Wieso auf die Insel?« rief Bonterre entgeistert. »Sind Sie denn verrückt geworden?«
»Keine Zeit für Erklärungen«, erwiderte Hatch und trat an den Schrank im Flur. Er hörte, wie Bonterre und der Professor ihre Stühle zurückschoben und aufstanden. Schnell öffnete er den Schrank, holte zwei Wollpullover heraus und zog sie sich über.
»Malin…«
»Tut mir leid, Isobel. Ich werde Ihnen alles später erklären.«
»Ich komme mit.«
»Kommt nicht in Frage.« lehnte Hatch ab. »Viel zu gefährlich. Außerdem müssen Sie hierbleiben und dafür sorgen, daß Donny in ein Krankenhaus kommt.«
»Ich gehe in kein Krankenhaus«, ließ sich Truitt vom Sofa aus vernehme.
»Verstehen Sie, was ich meine?« fragte Hatch, während er in seine Öljacke schlüpfte und einen Südwester in die Tasche stopfte.
»Ja, aber ich komme trotzdem mit. Ich kenne mich auf dem Meer aus. Alleine schaffen Sie es bei diesem Wetter niemals bis zur Insel hinaus. Das wissen Sie genau.« Bonterre griff in den Schrank und holte einen dicken Pullover und die alte Öljacke von Hatchs Vater heraus.
»Lassen Sie das«, sagte Hatch, während er seine Gummistiefel anzog. Dann spürte er, wie sich eine Hand auf seinen Arm legte.
»Die junge Dame hat recht«, meinte der Professor. »Ich weiß zwar nicht, was das alles zu bedeuten hat, aber es stimmt, daß du bei diesem Wetter nicht alleine dein Boot steuern und sicher anlanden kannst. Laß mich dafür sorgen, daß Donny ins Krankenhaus kommt.«
»Habt ihr mich denn nicht verstanden?« rief Donny aus dem Wohnzimmer. »Ich steige in keinen gottverdammten Krankenwagen.«
Der Professor trat an die Tür und warf ihm einen strengen Blick zu. »Wenn du jetzt nicht sofort den Mund hältst, dann werde ich dich wie einen Verrückten auf eine Trage schnallen lassen, Donald Truitt. Du kommst ins Krankenhaus - so oder so.«
Donny schwieg eine Welle, dann sagte er kleinlaut. »Ja, Sir.« Der Professor wandte sich wieder an Hatch und zwinkerte ihm zu.
Hatch holte sich eine Taschenlampe und schaute hinüber zu Bonterre, deren dunkle Augen entschlossen unter einem für ihren Kopf viel zu großen Südwester herauslugten.
»Sie ist für diese Aufgabe genauso geeignet wie du«, erklärte der Professor. »Vielleicht sogar etwas mehr, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Warum tun Sie das?« fragte Hatch die Archäologin.
Bevor Bonterre Ihm antwortete, faßte sie Ihn sanft am Ellenbogen. »Weil Sie mir wichtig sind, Monsieur le docteur . Sehr wichtig sogar. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn Ihnen etwas zustoßen würde und ich Sie nicht wenigstens begleitet hätte.«
Nachdem Hatch dem Professor noch rasch zugeflüstert hatte, was für eine Behandlung Donny Truitt Im Krankenhaus zuteil werden sollte, hetzten er und Bonterre hinaus in den strömenden Regen. In der vergangenen Stunde hatte der Sturm dramatisch an Stärke zugenommen, so daß Hatch trotz des in den Baumkronen heulenden Windes die schweren, vom Atlantik herankommenden Brecher gegen die Küste donnern hörte. Es war ein so tiefes und machtvolles Geräusch, daß er es mit seinem gesamten Körper, nicht bloß mit den Öhren wahrnahm. Vorbei an Häusern mit geschlossenen Fensterläden rannten Hatch und Bonterre durch die überfluteten Straßen, in denen es schon so dunkel war, daß man die Straßenlaternen eingeschaltet hatte. Trotz seines Ölzeugs war Hatch in Minutenschnelle durchnäßt. Als sie sich der Pier näherten, zuckte ein bläulich-greller Blitz aus den Wolken, dem unmittelbar danach ein dröhnender Donnerschlag folgte. Dieser war noch nicht ganz verklungen, als mit einem zischenden Geräusch der Transformator oben am Hafen ausfiel und die Stadt augenblicklich in ein düsteres Halbdunkel tauchte.
Vorsichtig tasteten sich Hatch und Bonterre die Pier entlang und traten über eine glitschige, regennasse Planke hinüber auf das Schwimmdock, wo die Dingis festgezurrt waren. Hatch nahm sein Taschenmesser heraus und schnitt die Befestigungsleinen des Beiboots der »Plain Jane« durch, bevor er es mit Bonterres Hilfe ins Wasser ließ.
»Kann sein, daß es uns mit zwei Personen absäuft«,
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