Riptide - Mörderische Flut
Männer wissen einfach nicht, wie man sich kleidet. Was Ihnen gut stehen würde, wäre ein italienischer Leinenanzug.«
»Ich hasse Leinen«, erklärte Hatch. »Es ist ständig verknittert.«
»Aber darum geht es gerade«, lachte Bonterre. »Was haben Sie für eine Konfektionsgröße? Vierundfünfzig«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich kann Männer eben gut einschätzen.«
20
Um Viertel vor zehn abends verließ Hatch die »Cerberus« und ging über die Gangway auf sein eigenes Boot. Am Ende eines langen Arbeitstages hatte er das große Schiff aufgesucht, um sich die dort vorhandene Maschine zur Bestimmung des Blutstatus anzusehen. Dabei war er vom Zahlmeister zum Essen eingeladen worden. Nach einer ausgezeichneten Gemüselasagne und einer Tasse Espresso hatte er sich schließlich von dem halben Dutzend freundlicher Mannschaftsmitglieder und Labortechniker verabschiedet und sich auf den Weg zur Gangway gemacht. In einem der weißen Korridore war er auch an Wopners Kabine vorbeigekommen und hatte sich kurz überlegt, ob er dem Programmierer nicht einen Besuch abstatten sollte. Dann aber hatte er angesichts der unfreundlichen Begrüßung, die ihm dort sicherlich zuteil geworden wäre, auf die neuesten Informationen über den Stand der Entschlüsselung verzichtet.
Jetzt war er wieder auf der »Plain Jane« und warf den Motor an. Er machte die Leinen los, legte von der »Cerberus« ab und steuerte hinaus in die warme Nacht. In der Ferne konnte er die Lichter des Festlands erkennen, und die Nachtbeleuchtung auf Ragged Island schimmerte durch den feinen Dunstschleier. Die Venus, die niedrig über dem westlichen Horizont stand, spiegelte sich im dunklen Wasser als ein zitternder, weißer Lichtfaden. Der Motor stotterte zuerst ein wenig, lief dann aber rund, sobald Hatch mehr Gas gab. Das gurgelnde Kielwasser am Heck des Bootes phosphoreszierte wie eine wirbelnde Spur aus grünlichen Funken. Hatch seufzte zufrieden und freute sich trotz der späten Stunde auf eine angenehme Heimfahrt.
Auf einmal fing der Motor wieder an zu spucken. Hatch schaltete ihn ab und ließ das Boot treiben. Hört sich an wie Wasser in der Kraftstoffleitung, dachte er und ging mit einem unterdrückten Fluch nach vorn, um eine Taschenlampe und Werkzeug zu holen. Dann klappte er im Cockpit die Bodenplatten hoch, so daß er Zugang zum darunterliegenden Maschinenraum hatte. Mit der Taschenlampe leuchtete er herum, bis er den Wasserabscheider in der Kraftstoffleitung gefunden hatte, und schraubte die untere Hälfte ab. Sie war voller dunkler Flüssigkeit, die Hatch über Bord kippte, bevor er den Abscheider wieder zusammenschraubte.
Zurück im Cockpit hielt er abrupt inne. In der Stille der Nacht hörte Hatch ein merkwürdiges Geräusch, das er erst nach einer Weile einordnen konnte. Es war eine leise melodische Frauenstimme, die eine bezaubernde Arie sang. Hatch stand auf und drehte den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam. Mit ihrem hinreißenden Anflug von sanftem Leid wollte sie nicht so recht zu dem dunklen, leicht bewegten Meer rings um das Boot passen.
Hatch blieb wie gebannt stehen und lauschte. Der Gesang kam von der »Griffin«, die mit gelöschten Positionslichtern dalag. Bis auf das Ankerlicht am Mast war auf Neidelmans Schiff nur ein kleiner flackernder Lichtpunkt an der Reling zu sehen. Durch sein Fernglas erkannte Hatch, daß es der Kapitän war, der sich auf dem Vordeck seine Pfeife anzündete.
Hatch klappte die Stahlplatten über dem Maschinenraum wieder zu und betätigte den Startknopf. Bereits bei der zweiten Umdrehung sprang der Motor an und lief sofort wunderschön rund und gleichmäßig. Hatch schob den Gashebel nach vorn und tuckerte, einem Impuls folgend, langsam an die »Griffin« heran.
»Abend«, sagte der Kapitän mit ruhiger, in der Nachtluft ungewöhnlich klar klingender Stimme, als die »Plain Jane« längsseits ging.
»Guten Abend«, antwortete Hatch und schaltete den Motor in den Leerlauf. »Ich würde mein letztes Hemd darauf wetten, daß das von Mozart ist, aber ich weiß nicht, aus welcher Oper. ›Figaros Hochzeit‹ vielleicht?«
Der Kapitän schüttelte den Kopf. »Das ist ›Zeffiretti Lusinghieri‹.«
»Ah, aus ›Idomeneo‹.«
»Ja. Sylvia McNair singt die Arie wirklich wundervoll, finden Sie nicht? Sind Sie auch Opernfan?«
»Meine Mutter war einer. Jeden Samstag nachmittag gab es im Radio ein Opernkonzert, und durch unser Wohnzimmer schallten in voller Lautstärke die Trios und tuttis .
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