Riskante Liebe
sanft auf das Bündel aus trockenem Heu, welches ich ihm nachts als Kopfkissen untergeschoben hatte, zurück. Aber anders als die unterwürfigen Relianten war er keineswegs bereit, meinen wortlosen Anweisungen Folge zu leisten, fuhr mit dem Oberkörper in die Höhe und packte mit einer schnellen Bewegung mein Handgelenk, welches er eisern umklammert hielt. Obwohl ich mich mit aller Kraft gegen ihn stemmte, zog er mich mühelos zu sich heran, bis mein Gesicht dicht an seinem war. Er war wütend, ich erkannte es an der Falte zwischen seinen Brauen, seinen zornig blickenden Augen und den zusammengebissenen Zähnen.
»H ör mit deinem bemutternden Getue auf und gib mir endlich Antwort. Wo zum Teufel bin ich hier und wo finde ich einen Stützpunkt, auf dem ich meinen Hubschrauber reparieren und Nachricht nach Hause senden kann? Ich muss meinen Leuten sagen, dass ich am Leben bin.«
Wieder verstand ich nur wenige seiner Worte und starrte ihn verständnislos und angstvoll zugleich an. Ich fürchtete mich vor wütenden Menschen. Seratta war das beste Beispiel dafür, dass man in diesem Gemütszustand nicht mehr klar zu denken vermochte und anderen schlimme Dinge antat, die im Nachhinein nicht mehr zu ändern waren. Unvermittelt gab er mein Handgelenk frei. Ich wich mit dem Oberkörper ein kleines Stück zurück, rieb mir die schmerzende rote Stelle, die seine langen, kräftigen Finger unerbittlich zusammengedrückt hatten und spürte, wie meine Augen nass wurden. Ich hasste es, wenn das Wasser daraus hervortropfte, konnte aber nichts dagegen unternehmen. Es kam selten vor. Immer dann, wenn ich mich fürchtete, sehr traurig war oder körperlichen Schmerz empfand. Ich zuckte zurück, als er erneut die Hand hob. Er strich mir damit jedoch nur sanft über die Wange und wischte das Augenwasser fort. Diese Berührung löste eigenartige, zwiespältige Gefühle in mir aus. Sein Gesicht hatte sich geglättet und er blickte mich freundlich an.
«Hör auf, zu weinen. Ich wollte dir keine Angst einjagen oder dir wehtun. Du kannst nicht alles verstehen, was ich sage, nicht wahr? Vermutlich bist du so etwas wie ein Wolfskind, geistig zurückgeblieben, eine kleine Wilde, die aus irgendwelchen Gründen allein, in diesem Wald auf sich gestellt, überleben muss.«
Jäher Zorn stieg in mir auf. Ich begriff, dass er mich für verwirrt hielt, für dumm und nicht in der Lage, ihn zu verstehen. Ich war kein Wolfsjunges und auch keine Wilde, klein schon gar nicht! Obwohl ich seine Kraft kennengelernt hatte und schnellstens das Weite suchen sollte, bevor er wieder auf die Beine kam, tat ich genau das Gegenteil und fauchte ihn wütend an. Ich spie ihm meine Worte förmlich ins Gesicht.
»Was fä llt dir ein, mich Wolfskind oder kleine Wilde zu nennen? Ich bin Veeria, die beste Jägerin unseres Dorfes und habe dir vermutlich das Leben gerettet. Ohne mein Eingreifen wärst du heute Nacht von den Raubkatzen oder Wölfen gefressen worden und die Hyänen hätten die Überreste von dir vollends beseitigt. Ich habe dich verbunden, versuche, dir klarzumachen, dass du dich ruhig verhalten sollst, damit deine Verletzungen schneller abheilen und du tust, als hätte ich kein Hirn! Wenn alle Männer sich da, wo du herkommst, Frauen gegenüber so verhalten, dann verstehe ich unsere Anführerin. Die ist der Ansicht, dass ihr nur zu harter Arbeit und zum Samenspenden taugt und ansonsten eingesperrt werden müsst!«
In dem Moment, als meine Worte verklungen waren, hielt ich den Atem an. War ich verrückt geworden, diesem unbeherrschten, starken Fremden solche Unverschämtheiten an den Kopf zu werfen? Wie würde er darauf reagieren? Lauf, Veeria, lauf weg, so schnell du kannst, schrie die Stimme in meinem Kopf. Wieder überraschte mich seine Reaktion. Er legte sein en Kopf in den Nacken und gab laute, wohlklingende, aber seltsame Geräusche von sich, die ich zuerst nicht einordnen konnte, weil sie bei uns im Dorf fast nie zu hören waren. Nur die Kinder erzeugten diese Laute gelegentlich bei ihren Spielen im Hof des Kinderhauses. Dann hielten die Frauen und auch die in der Nähe weilenden Relianten in ihren Arbeiten inne, ihre verhärteten Züge hellten sich für kurze Zeit auf und sie lauschten den unbeschwerten, fröhlichen Klängen des Lachens nach, bevor ihre Gesichter wieder mürrisch und unbewegt wurden.
Aber der Fremde vor mir lachte tatsächlich so laut und unbeschwert wie ein Kind, obwohl er längst das Erwachsenenalter erreicht hatte. Er hatte seinen
Weitere Kostenlose Bücher