Riskante Nächte
Sie vermuteten. Aber ob sich das nun bewahrheitet oder ob sich letztendlich herausstellt, dass sie sich von eigener Hand das Leben nahm: Sie tragen keine Schuld daran! «
»Sie verstehen nicht. Fiona war so unschuldig, so unerfahren.«
»Unschuldig oder nicht, wenn sie ins Wasser gegangen ist, weil sie sich vor der Demütigung einer aufgelösten Verlobung fürchtete, dann war das allein ihre Entscheidung. Und wenn sie in eine gefährliche Angelegenheit verwickelt wurde, dann waren Sie nicht dafür verantwortlich.«
»Sie stand unter großem Druck, nicht nur vonseiten ihrer und meiner Familie, sondern von der feinen Gesellschaft im Allgemeinen.« Er seufzte schwer. Es klang, als würde der Seufzer mit Gewalt dem tiefsten Winkel seiner Seele entrungen. »Keiner von uns ahnte, wie unglücklich sie war. Wenn sie mir doch nur ein Wort gesagt hätte …«
»Es war ihre Entscheidung, sich mit einem anderen Mann einzulassen.« Sie verstummte, denn ihr kam plötzlich ein Gedanke. »Was mich zu einem anderen Punkt bringt. Wenn sie ein intimes Verhältnis mit einem anderen hatte, hätte sie dann nicht vorgehabt, ihn zu heiraten, nachdem Sie die Verlobung mir ihr aufgelöst hatten?«
»Das war eines der Dinge, die mich am Selbstmord zweifeln ließen«, gestand er. »Alles weist darauf hin, dass ihr Liebhaber ihr tatsächlich von Herzen zugetan war. Er war nicht verheiratet, also stand seiner Heirat mit ihr nichts im Wege.«
»Was ist aus ihm geworden?«
»Er gibt mir die Schuld an ihrem Tod und hasst mich bis zum heutigen Tag.«
»Julian Easton?«, fragte sie leise.
Anthony zog die Augenbrauen hoch. »Wie sind Sie auf ihn gekommen?«
»Es ist unübersehbar, dass er einen tiefen Groll gegen Sie hegt.«
»Er hat nie gewagt, offen Beschuldigungen zu erheben, da er keine Beweise hat. Außerdem glaube ich, er ist vorsichtig, weil er sich nicht selbst zur Zielscheibe des Tratsches machen will. Fionas Familie wäre außer sich, wenn er ihr Andenken besudeln würde, indem er herausposaunt, dass er vor ihrer Hochzeit eine Affäre mit ihr hatte.«
Louisa neigte den Kopf leicht zur Seite und dachte nach. »Ich frage dies wirklich nur ungern, aber halten Sie es für möglich, dass Easton ihr etwas angetan hat?«
»Nein.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Diese Möglichkeit habe ich als Erstes in Betracht gezogen. Doch es gibt etliche Zeugen, die belegen können, wo er sich an jenem Abend und in jener Nacht aufgehalten hat. Er ist für ein paar Minuten aus dem Ballsaal verschwunden, aber er ist fast umgehend zurückgekehrt. Später hat er das Fest mit Freunden verlassen und ist auf direktem Weg in seinen Klub gefahren. Dort hat er bis zum Morgengrauen Karten gespielt. Um diese Zeit wurde Fionas Leiche aus dem Fluss geborgen. Es blieb ihm schlicht und einfach nicht genug Zeit, sie zu ermorden und die Leiche verschwinden zu lassen.«
»Aber Easton ermutigt alle Welt, das Schlimmste von Ihnen zu denken.«
»Er glaubt, sie hätte Selbstmord begangen, und er gibt mir die Schuld, sie dazu getrieben zu haben. Den Klatsch und die Gerüchte am Leben zu erhalten, ist seine Vorstellung von Rache.«
Sie dachte an den Zwischenfall vor dem Haus der Lorringtons zurück. »Um ehrlich zu sein, ich halte es für möglich, dass er sich selbst die Schuld gibt.«
Anthony runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das?«
»Wenn er sie geliebt hat, dann versucht er vielleicht, sich selbst und alle anderen zu überzeugen, dass Sie der Schuldige sind, weil er die Gewissensbisse abschütteln will, die er zweifellos empfindet, weil er Fiona nicht beschützen konnte.«
Anthony zuckte mit den Achseln und schloss die letzten Knöpfe seines Hemdes. »Sicher ist nur, dass er mich hasst.«
»Er hat kein Recht, Sie zum Sündenbock zu machen«, erklärte sie. »Das ist ungerecht. Was für ein tragisches Schlamassel daraus geworden ist.«
Sein Mund verzog sich höhnisch. »Easton und Fiona sind offensichtlich der überwältigenden Macht einer verbotenen Liebschaft anheimgefallen. Laut Ihrer Aussage gibt es kein berauschenderes Abenteuer.«
»Sie missverstehen mich, Sir«, entgegnete sie brüsk. »Verbotene Leidenschaft ist zweifellos eine starke Macht, aber uns allen ist die Willenskraft gegeben, ihr zu widerstehen, wenn wir es wollen.«
»Dann ist es also plötzlich eine Entscheidung, ja?« Er zog die Augenbrauen hoch. »Keine überwältigende Naturgewalt?«
»Spotten Sie nicht. Ich meine es ernst.«
»Ja, das merke ich.«
»Es ist eine Sache,
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