Riskante Naehe
war. Vielleicht waren ihre Gefühle für ihn doch nicht so tief, wie er angenommen hatte? Unsinn! Sie versuchte zwar, es zu verbergen, aber er konnte deutlich sehen, dass sie genauso litt wie er.
Karen nickte. »Ja, ich bin fertig. Clint, würdest du …?«
Ruckartig drehte er sich um und stapfte zum Sofa zurück. Der Schmerz in seinem Herzen hatte den in seinem Bein verdrängt, sein ganzer Körper war wie betäubt. Wortlos hob er sie hoch und trug sie zur Tür.
Er blickte Cranton an und deutete mit dem Kopf zu dem Rucksack, der neben der Tür stand. »Das ist ihr Gepäck.« Damit ging er hinaus und überließ es dem Agenten, sich darum zu kümmern.
In der Einfahrt wartete ein FBI-Fahrzeug mit laufendem Motor, hinter dem Steuer saß ein weiterer Agent.
Clint setzte Karen vorsichtig auf den Rücksitz und hockte sich dann vor sie auf den Boden. Seine Hände umfassten ihre. »Was meinst du, wie lange dauert es, die Angelegenheit zu regeln?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wann sehe ich dich wieder?«
Karen schluckte hart, zwang sich aber, in seine Augen zu blicken. »Ich glaube nicht, dass es gut wäre, wenn wir uns wiedersehen.«
Clint zuckte zurück, als hätte sie ihn geschlagen. »Sag das noch einmal!«
Karen befeuchtete ihre trockenen Lippen. »Ich denke nicht …«
Clint unterbrach sie. »Genug! Das reicht!« Er atmete tief durch. »Du denkst nicht, dass wir hier vielleicht etwas Besonderes hatten? Dass es sich lohnt zu sehen, wohin es uns führen wird?«
»Doch, das denke ich. Aber ich weiß auch, dass ich nach Washington gehöre und du hierher! Es ist besser, es jetzt gleich zu beenden, solange wir noch können.«
Clints Gesicht versteinerte sich. »So einfach ist das also für dich?«
Karen brach das Herz, als sie sah, wie er seine Gefühle langsam tief in sich verschloss. Tränen tropften auf ihre im Schoß verkrampften Hände.
»Nein, so schwer.« Mit einer letzten Anstrengung zog sie die Autotür zu, während Clint zögernd zurücktrat.
Agent Cranton hatte sich von ihnen unbemerkt auf den Beifahrersitz gesetzt und gab dem Fahrer nun ein Zeichen loszufahren. Karen sah durch die Rückscheibe, wie Clint im Staub der Auffahrt zurückblieb und dem Wagen hinterherstarrte. Sie schlug die Hände vor das Gesicht und sank in sich zusammen. Mein Gott, wie konnte sie ihn verlassen, nach dem, was sie zusammen erlebt hatten? Jetzt, wo er ihr seine Liebe gestanden hatte? Aber sie musste zurück, ihr Job und ihr Land verlangten es von ihr. Ein riesiger Druck lastete auf ihrer Brust, sie konnte kaum atmen. Mehr als einmal fühlte sie Crantons Blick auf sich, doch es gelang ihr nicht, die Tränen zu unterdrücken, die ihr über die Wangen liefen.
Eine Woche war vergangen, seit Matt und Karen am gleichen Tag verschwunden waren. Während Shannon wie besessen Tag und Nacht an ihrem neuesten Buch schrieb und so ihre Gefühle ausdrückte, hatte Clint seinen Kummer und seine Wut fest in sich verschlossen. Äußerlich war er wieder wie zu der Zeit, bevor Karen aufgetaucht war. Er lächelte nie und behielt seine Gedanken strikt für sich. Doch einen Unterschied gab es: Vorher war er selten schlecht gelaunt gewesen, jetzt jedoch immerzu. Alle machten einen möglichst weiten Bogen um ihn und sprachen ihn nur an, wenn es gar nicht anders ging.
Nach und nach waren die Familienmitglieder wieder abgereist, bis nur noch Shane und Autumn übrig waren, die sich für eine ganze Woche von ihren Pflichten als Ranger im Arches National Park hatten befreien lassen. Doch jetzt rückte auch ihre Abreise näher, und Shane hielt Clints schlechte Laune einfach nicht mehr aus. Kurz entschlossen folgte er seinem Bruder in den Stall.
Während er darauf wartete, dass sich seine Augen dem Halbdunkel im Gebäude anpassten, überlegte er, wie er Clint helfen konnte. In den ganzen dreiunddreißig Jahren, die er ihn nun kannte, hatte er seinen Bruder noch nie in einer solchen Stimmung erlebt. Nicht einmal zu der Zeit, als er vor vier Jahren überraschend auf die Ranch zurückgekommen und dort geblieben war. Was, wie Shane erst seit letztem Jahr wusste, mit seinem Ausstieg aus dem SEAL-Team zusammengehangen hatte. Aber selbst damals war er nur in sich gekehrt gewesen und hatte nicht diese große Wut und Verzweiflung ausgestrahlt.
Langsam ging Shane durch den dämmerigen Stall zu Devils Box. Er wusste genau, dass er Clint dort finden würde. Hierher zog er sich in jeder freien Minute zurück, seit Karen abgereist war. Karen … Er war sich ziemlich
Weitere Kostenlose Bücher