Riskante Naehe
Stadt fahren und nicht den halben Tag durch den Wald wandern. Ganz zu schweigen von den Flussdurchquerungen.«
Clint zuckte zusammen. Sie hatte recht, das war eine blöde Frage gewesen. Aber es sah so aus, als fühlte sie sich jetzt wieder etwas besser, nachdem sie Dampf abgelassen hatte.
»Tut mir leid, ich kann bloß kaum mit ansehen, was deinen Füßen angetan wurde.« Er holte ein Taschentuch und eine Wasserflasche aus dem Rucksack und begann ihre Füße vorsichtig zu säubern. Mit gerunzelter Stirn beugte er sich über sie, völlig auf seine Aufgabe konzentriert. Wie er schnell merkte, war er nicht besonders erfolgreich. Der feine Sand hatte sich unter ihre Haut gesetzt und war einfach nicht zu entfernen. Zumindest nicht hier mit ihren begrenzten Mitteln. Und verbinden würde auch nichts bringen, weil dann die Schuhe nicht mehr passten.
Hilflos ließ er sich auf seine Hacken zurücksinken. »Mehr kann ich nicht tun. Das Beste ist im Moment wahrscheinlich, die Wunden an der Luft trocknen zu lassen.«
Karen seufzte. »Das hatte ich mir fast gedacht. Aber trotzdem danke für den Versuch.« Sie blickte auf seine Beine. »Solltest du dir nicht auch die nasse Hose ausziehen?«
»Nachher, erst wollte ich noch einen kurzen Erkundungsgang in der Umgebung machen.«
Karen sah nach draußen. »Bei dem Wetter?«
Clint grinste. »Ich bin ja nicht aus Zucker und schnell zurück.« Damit verschwand er auch schon aus dem Schutz des Überhangs. Innerhalb von Sekunden war er im strömenden Regen nicht mehr zu sehen.
»Wie du willst. Solange ich nicht wieder aufstehen muss …« Damit zog Karen den Rucksack zu sich heran. Als Erstes packte sie die Nahrung aus, dann fischte sie den Beutel mit ihren wenigen Kosmetika heraus. Sie konnte die Zeit, die Clint draußen war, nutzen, um sich ein wenig frisch zu machen. Ein Glück, dass sie bei ihrem Flug aus Gewohnheit die Erfrischungstücher aus dem Flugzeug eingesteckt hatte, so konnte sie jetzt zumindest oberflächlich den gröbsten Schmutz aus ihrem Gesicht und von ihren Händen entfernen.
Man glaubte gar nicht, wie viel Dreck sich ansammelte, wenn man einen halben Tag in der Wildnis unterwegs war. Und natürlich vorher noch mit einem Auto in eine Schlucht fiel. Karen schauderte. Sie konnte immer noch nicht fassen, dass sie wirklich halbwegs intakt wieder aus dem Wagen herausgekommen waren. Die beiden FBI-Agenten hatten wahrscheinlich nicht so viel Glück gehabt. Es war ihr zwar ziemlich herzlos vorgekommen, die beiden Männer einfach ihrem Schicksal zu überlassen, aber sie mussten so handeln, um die Gelegenheit zur Flucht nicht zu vergeben.
Kopfschüttelnd versuchte sie die trüben Gedanken zu verdrängen. Immerhin hatten sie es bis hierher geschafft, und sie hatte den besten Führer und Beschützer, den es gab: Clint. Er war nicht nur ein hoch qualifizierter Soldat, sondern auch hier in der Gegend aufgewachsen, kannte sie also besser als ihre Verfolger. Und wenn der Regen wirklich ihre Spuren verwischte, wie Clint gesagt hatte, dann waren ihre Chancen noch einmal gestiegen. Karen legte die Salbe gegen Prellungen schon einmal beiseite, die sie eigentlich für ihre Knie und die Schulter mitgenommen hatte, die ihr jetzt aber auch bei Clints Beinverletzung nützlich sein konnte.
Mit einem leichten Lächeln zog sie die Haarbürste heraus, die sie noch in ihrer Arbeitstasche gehabt und für die Reise nach Bozeman in den Beutel geworfen hatte. Vorsichtig zog sie die Haarspange aus ihren verknoteten Haaren und warf sie zu den anderen Kosmetika. Mit langsamen Bürstenstrichen entwirrte sie ihre gewellten blonden Haare, bis sie schließlich wieder halbwegs ordentlich ihr Gesicht umrahmten. Sie schraubte den Deckel der Thermoskanne ab und stellte ihn neben das schützende Dach des Überhangs, um in ihm Wasser aufzufangen, das sie dann für die Körperpflege benutzen konnten. Zuletzt suchte sie noch ihr Deospray heraus und versuchte zumindest den unangenehmen Geruch zu überdecken, der ihr anhaftete.
So lautlos, wie er gegangen war, kauerte Clint plötzlich wieder vor dem Eingang ihres Unterschlupfs. Karen stieß einen erschrockenen Schrei aus, als sie den Schatten entdeckte.
»Ich bin’s nur. Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.«
Mit einer Hand über ihrem heftig pochenden Herzen rutschte sie hastig zur Seite, um dem tropfnassen Clint Platz zu machen. »Kein Problem, hat mich nur zehn Jahre meines Lebens gekostet. Aber das macht nach diesem Tag sowieso nichts
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