Riskante Versuchung
Der Anblick des knappen Kleidungsstücks, das kaum ihren wundervollen schlanken Körper bedeckte, hätte den Blutdruck selbst des gleichgültigsten Mannes in die Höhe getrieben.
Und Rob war ihr gegenüber alles andere als gleichgültig.
Mit an den Strand zu fahren war ein Fehler gewesen.
Die ganze Zeit musste er gegen den Wunsch ankämpfen, den Arm um sie zu legen, sie zu berühren, ihr die Haare aus dem Gesicht zu streichen, seine Lippen auf ihre zu pressen.
Sie hatte von Anfang an recht gehabt - er würde ausziehen müssen.
Aber noch nicht.
Nicht an diesem Abend jedenfalls. Und am folgenden Tag würde er nach Orlando fahren und zwei Wochen lang unterwegs sein. Ein wenig Zeit und Abstand wirkten bei jedem Problem Wunder, egal wie groß es war. Das hoffte er zumindest, denn sein Problem hatte gigantische Ausmaße.
Der Sand knirschte zu seiner Linken, und Rob stellte fest, dass Jess hinter ihm stand. Lächelnd ließ sie sich neben ihm nieder, wobei sie auf eine gewisse Distanz achtete.
„Wir müssen bald los“, erklärte sie.
Rob nickte und sah mit zusammengekniffenen Augen auf den rotorangenen Ball, der langsam am Horizont versank. Er konnte Jess nicht ansehen. Nicht solange sie diesen Bikini trug. Er würde warten, bis sie aufstand, um Shorts und T-Shirt anzuziehen. Dann würde auch er sich erheben, in ihren alten kleinen Wagen steigen und so tun, als würde es ihm nichts ausmachen, nur wenige Zentimeter von ihr entfernt zu sitzen.
Doch Jess machte keine Anstalten, aufzustehen. Sie fing nicht an, die Decke zusammenzufalten und den Picknickkorb einzuräumen. „So“, sagte sie stattdessen. „Jetzt sind wir also Freunde. Das ist nett.“
Er riskierte einen Blick auf sie. Natürlich fand sie die Tatsache, dass sie nur noch Freunde waren, ebenso wenig nett wie er. Und sie glaubte es genauso wenig wie er. Für sie war das hier mindestens genauso schwer wie für ihn - und für ihn war es die Hölle.
„Ihr fahrt oft zum Strand, du und Bug, nicht wahr?“, fragte er. Es klang gestelzt, wie schlechter Small Talk auf einer peinlichen Party.
Doch Jess antwortete aufrichtig. „Ich liebe es hier. Hier am Strand zu sitzen und den Sonnenuntergang zu sehen ist himmlisch.“
„Ja, ich mag es auch.“ Das waren nur ein paar schlichte Worte, doch Rob fragte sich, ob Jess wusste, wie schwer ihm dieses Geständnis gefallen war. Er sprach niemals davon, was er mochte und was ihm etwas bedeutete. Das war eine seiner Regeln. Niemals gab er irgendwelche persönlichen Informationen preis. Und er brach nie seine eigenen Regeln - zumindest hatte er das nie getan, bevor er Jess Baxter kennengelernt hatte.
Rob spürte, dass sie ihn ansah, fühlte ihren Blick von seinen Haaren - die vom Wind und der hohen Luftfeuchtigkeit zerzaust und gewellt waren - bis hinunter zu seinen Füßen wandern. Zwischendurch verweilte dieser Blick einen Moment bei seinen Tätowierungen am linken Arm. Jetzt kamen die Fragen. Selbst auf Jess, die am wenigsten neugierige Person der Welt, mussten diese Tätowierungen geheimnisvoll wirken. Er hätte sie entfernen lassen, wenn da nicht die Angst wäre, man könnte ihn über seine Krankenakte aufspüren.
„Warum hast du dich tätowieren lassen?“, fragte Jess, genau wie er es vorausgesehen hatte. „Und gleich zweimal?“
Rob schlang die Arme um die Knie und betrachtete wieder den Sonnenuntergang. Es schien, als würde die rot glühende Sonne vom Meer verschluckt. Der Himmel färbte sich in prachtvollen Farbtönen aus Pink, Orange, Rot und Gelb. „Ich war jung“, antwortete er vage. „Und wahrscheinlich betrunken.“
„Ich habe dich nie trinken sehen“, meinte Jess.
Verdammt, er hatte schon zu viel gesagt. „Das liegt daran, dass ich nicht mehr trinke.“
Er schaute sie wieder an. Sie erweckte den Eindruck, dass sie ihn weder verurteilte noch Mitleid mit ihm hatte. Ihr Blick war mitfühlend und freundlich.
Gedankenverloren betrachtete er ihren Mund, diese Lippen, die er erst vor wenigen Tagen stürmisch geküsst hatte. Sie lächelte, süß und traurig. Erneut wurde ihm klar, auf was er verzichtete, und es war schwerer als je zuvor.
„Ich will wirklich mit dir befreundet bleiben“, erklärte sie sanft. „Wenn du mir deine Liebe nicht geben kannst, erlaube mir wenigstens, dein Freund zu sein.“
Rob konnte nichts erwidern. Was sollte er dazu sagen?
„Sprich mit mir“, drängte sie ihn. „Ich will wissen, wer du bist.“
Er schaffte es nicht einmal, sie anzusehen. „Dessen bin ich
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