Riskante Versuchung
wenn man sich an den Händen hält. Mom meint, damit konzentriert man die Kraft - so ähnlich wie der Orangensaft in diesen kleinen gefrorenen Dosen.“
Die Hand des kleinen Mädchens fühlte sich kalt und nass an. Kelsey drückte Robs Hand, während sie mit der anderen die von Jess hielt.
„Hast du deinen Wunsch?“, fragte sie Rob und sah zu ihm auf. „Ich schon.“
Jess beugte sich erneut vor. „Das ist ein alter Familienaberglaube“, erklärte sie lächelnd. „Sich beim grünen Blitz etwas zu wünschen. Natürlich kann man den Blitz nicht jedes Mal sehen. Dadurch wird dein Wunsch umso wirkungsvoller, wenn es dann passiert.“
Kelsey wandte sich an Jess. „Mommy, hast du deinen Wunsch?“
„Ja, habe ich.“
Rob konnte Jess nicht ansehen. Er sollte es nicht tun - doch er schaffte es nicht, zu widerstehen. Er betrachtete ihr Profil, denn sie sah hinaus aufs Meer.
„Da kommt er“, flüsterte sie.
Rob folgte ihrem Blick und beobachtete die untergehende Sonne, deren Bewegung man in diesen Sekunden tatsächlich wahrnehmen konnte. Es schien, als würde sie im Meer versinken.
Ich wünschte, ich könnte dieses Leben haben und für immer hier bei dieser wunderschönen Frau und dem süßen Kind bleiben …
Der Ozean verschluckte die Sonne, und in dem Moment, als sie hinterm Horizont versank, sahen sie ein grünlich weißes Aufleuchten.
Kelsey drückte erneut seine Hand, und Rob schaute in das runde sommersprossige, strahlende Gesicht des Kindes. „Unsere Wünsche werden in Erfüllung gehen“, verkündete es mit vor Freude funkelnden braunen Augen.
Rob sah über den Kopf des Mädchens zu Jess, und ihre Blicke trafen sich. Besäße er nur die Macht, seinen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen. Aber die hatte er nicht. Die einzige Fähigkeit, die er besaß, war die, Schmerz zuzufügen und zu zerstören. Er verstand sich nur darauf, Leben zu nehmen, und nicht, eines aufzubauen. Tränen brannten ihm in den Augen, und er merkte, dass es ihm nicht mehr gelang, seine Sehnsucht zu verbergen.
„Das wäre wirklich zu schön, Bug“, flüsterte er. „Das wäre wirklich wunderbar.“
Die dunkelblaue Limousine fuhr hinter Jess‘ Auto auf die Route 41. Sie blieb vier oder fünf Wagen zurück, doch dass sie ihr folgte, war Jess klar, seit sie Siesta Key verlassen hatte.
Kelsey schlief hinten auf der Rückbank. Rob saß still neben Jess, mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.
Vor ihnen auf der rechten Seite tauchte ein 7-Eleven auf. Jess verlangsamte das Tempo, fuhr auf den Parkplatz und hielt direkt vor dem Shop. „Hast du etwas dagegen, wenn ich schnell noch ein Brot kaufe?“, erfand sie eine Ausrede für ihren Halt, als Rob sie erstaunt ansah.
„Nein, überhaupt nicht“, sagte er.
Im Rückspiegel beobachtete sie, wie die blaue Limousine an der Ausfahrt vorbeifuhr.
Wenn Pete, der Barkeeper, in dem Wagen gesessen hätte, der ihr gefolgt war, hätte er doch ebenfalls angehalten, oder? Aber das tat er nicht. Also war es nicht Pete. Außerdem war er nicht der Einzige in Florida mit einer blauen Limousine, und er dürfte zudem gerade in Bradenton arbeiten.
Allmählich wurde sie paranoid. Im Stillen tadelte sie sich dafür, dass ihre Fantasie mit ihr durchging. „Entschuldige, was hast du gesagt?“, fragte sie Rob.
„Ich sagte, es macht mir nichts aus“, erklärte er und fügte, als sie noch immer nicht begriff, hinzu: „Dass wir angehalten haben.“
Jess brachte ein schwaches Lächeln zustande. „Ehrlich gesagt habe ich zu Hause noch genug Milch bis zum nächsten Einkauf am Donnerstag. Im ‚Publix‘ ist sie auch billiger.“
Sie fuhr rückwärts aus der Parklücke und bog wieder auf die Straße ein. Rob musterte sie mit leicht zusammengezogenen Brauen, als versuche er, ein Rätsel zu lösen. „Brot“, sagte er schließlich. „Du hast gesagt, du brauchst Brot, nicht Milch.“
Hatte sie? Hoppla. „Brot, Milch …“ Jess zuckte mit den Schultern. „Ist von beidem nicht mehr viel da. Du weißt ja, wie es ist mit einer Sechsjährigen. Wahrscheinlich habe ich auch keine Erdnussbutter mehr.“
Er beobachtete sie nach wie vor. „Jess, was ist los?“
Sie schaute in den Rückspiegel. Keine Spur von der blauen Limousine.
„Folgt uns jemand?“, wollte er wissen und drehte sich zur Heckscheibe um.
„Was?“, fragte Jess lachend. „Natürlich nicht.“
Er kaufte es ihr nicht ab.
Sie seufzte. Junge, das würde ziemlich dumm klingen. Jetzt, wo die blaue Limousine nicht mehr hinter ihnen
Weitere Kostenlose Bücher