Risotto Mit Otto
von Thomas Mann wiedersehen, und darauf freute ich mich schon sehr.
Außerdem wollte ich noch eine Vorlesung zur deutschen Literatur im zwanzigsten Jahrhundert und zur Wortbildung im Deutschen besuchen, und wenn ich Glück hatte und der Professor empfänglich für professionelle italienische Schmeicheleien der höchsten Güteklasse war, bekam ich noch einen der begehrten Restplätze in der Einführung in die neuere deutsche Literaturwissenschaft. Elin hatte mir nämlich verraten, dass man manche Professoren bequatschen konnte, und wenn man ihnen eine halbwegs glaubhafte Story auf die Nase band, drückten sie schon mal ein Auge zu. Das sollte in diesem Studienjahr in München doch wohl zu meinen leichtesten Übungen zählen.
Die restlichen Semesterwochenstunden wollte ich mit einigen Veranstaltungen aus dem Bereich Deutsch als Fremdsprache füllen. Zum Glück war mein Auslandsjahr nicht an irgendwelche Prüfungen und Scheine gebunden, die ich bei meiner Rückkehr vorlegen musste, vielmehr war es den von der Fondazione Francesco Assisi geförderten Studenten selbst vorbehalten, wie sie den Auslandsaufenthalt am besten für sich nutzten. Ob so viel Freiheit in meinem Fall förderlich war, sei einmal dahingestellt, aber ich würde den Damen und Herren von der Kommission ganz bestimmt nicht verraten, dass sie mit mir eine der Nieten gezogen hatten, die ihre Großzügigkeit weniger zu schätzen, dafür aber umso mehr auszunutzen verstanden.
Als ich das Beate damals im Nachtzug nach München erzählt hatte, hatte sie mir nicht glauben wollen, da es ihr vorkam wie das Paradies auf Erden: studieren ohne Leistungsdruck und Prüfungszwang im Nacken. Mein Einwand, ich hätte in Italien ja schon ein so gut wie abgeschlossenes Studium vorzuweisen und mir das Stipendium durch meine herausragenden Leistungen verdient, wollte sie nicht gelten lassen. Sie hielt das für »Gemauschel«, wie sie es nannte, ich dagegen betrachtete es als gerechten Lohn für mein bisheriges Engagement und das, was mir bei der Jobsuche in Italien noch bevorstehen würde.
Beschwingt machte ich mich auf den Weg zur Bayerischen Staatsbibliothek, die in einem der Prachtbauten an der Ludwigstraße untergebracht war, um mir mit meinem internationalen Studentenausweis einen Leseausweis ausstellen zu lassen und mir den Zauberberg samt der zugehörigen Sekundärliteratur auszuleihen. Schwer bepackt machte ich mich auf den Rückweg, mit dem guten Gefühl, dass ich mein Leben doch noch auf die Reihe bekommen könnte. Die Uni und die deutsche Sprachwissenschaft konnten mir mal den Buckel raufrutschen. Oder war es doch runter?
5.
»Ho bisogno di te«
Ben konnte mir inzwischen ebenfalls einmal über den Buckel rutschen – ob rauf oder runter, war mir völlig egal. Mit ihm war ich fertig, und zwar für immer und ewig.
Na ja, ehrlich gesagt war ich genau vier Tage lang mit ihm fertig, so lange, bis er sich bei mir meldete. Denn ab dem Moment, als mein Handy seine Nummer anzeigte, war meine Welt wieder in allerbester Ordnung. Ich war mir nicht sicher, ob ich mir allmählich Sorgen um meinen Hormonhaushalt machen sollte, da ich derlei Stimmungsschwankungen, wie sie mich in der letzten Zeit heimgesucht hatten, von mir nicht kannte, oder ob ich die Schuld doch dem Münchner Föhnwetter in die Schuhe schieben konnte.
Bei den ungewohnt warmen Temperaturen, die dank irgendwelcher seltsamen Fallwinde, von denen ich mein ganzes Leben noch nichts gehört hatte, an manchen Tagen, vor allem im Winter, herrschten, hatte man zwar hervorragende Fernsicht und konnte von der Stadt aus bis zu den Alpen sehen, doch der Rest war meist alles andere als hervorragend. Die Schuldzuweisung in Richtung Föhn hatte ich mir von den Einheimischen abgeguckt, die diese höchst eigenwillige Wetterlage für alles und jeden verantwortlich machten, sei es ihre schlechte Laune, ihr Schädelweh, die ständig steigenden Mieten oder die Tatsache, dass es schon wieder nicht geklappt hatte mit dem ersehnten Lottogewinn.
Zwar sind die Deutschen nicht ganz so verrückt wie die Italiener, die, ohne mit der Wimper zu zucken, ihre eigene Großmutter verkaufen würden, um das Geld für einen Lottotipp zusammenzubekommen, dafür haben sie es deutlich leichter. Hier muss man die sechs Zahlen, die jeweils am Samstag und am Mittwoch gezogen werden, bloß aus neunundvierzig Zahlen auswählen, während man sich bei uns zwischen neunzig Zahlen entscheiden muss. Trotzdem jammern die Deutschen ständig, dass die
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