Risotto Mit Otto
ihn attraktiv und begehrenswert, und allein das war mir die Sache wert.
Inzwischen ging es auf halb vier zu, und ich musste zum Lernen in die Unibibliothek, da ich unbedingt an allen Prüfungen teilnehmen wollte, um das Semester, das in der kommenden Woche zu Ende gehen würde, möglichst erfolgreich abzuschließen. Also vertagte ich das Problem wie so oft im Leben erst mal auf später. Sonderlich wohl war mir aber nicht dabei.
Am nächsten Tag war ich immer noch nicht weitergekommen. Zwar hatte ich in der Nacht kaum geschlafen, und statt an meiner Hausarbeit über Thomas Mann zu arbeiten, hatte ich Mordpläne für den miesen alten Erpresser geschmiedet. Mir wollte jedoch keine Methode einfallen, die mit den Mitteln der modernen Kriminaltechnologie nicht sofort entlarvt worden wäre, weshalb ich überlegte, Otto zu bitten, mit mir noch mal zu Signor Colluti zu fahren. Doch dazu musste ich ihn erst mal erwischen. Er war ständig unterwegs, und Beate machte in der Mensa eine zweideutige Bemerkung, dass er sich verliebt hätte. Ihre Worte versetzten mir einen schmerzhaften Stich, vermutlich weil ich mich übergangen fühlte. Schließlich hätte er mir ruhig davon erzählen können, er wusste ja auch über Ben Bescheid. Oder war das etwa Eifersucht, was ich da spürte? Unmöglich!, sagte ich mir und schob den Gedanken ganz schnell wieder zur Seite.
Schweren Herzens kehrte ich nach dem gemeinsamen Mittagessen mit Beate und Elin nach Hause an meinen Schreibtisch zurück. Am Abend wollte ich mich um halb acht mit Ben treffen, daher musste ich alle verfügbaren Gehirnzellen mobilisieren, um mich auf die thematischen und erzähltechnischen Dimensionen von Thomas Mann zu konzentrieren, der mir zunehmend auf den Geist ging mit seiner ausschweifenden Art. Bis um fünf wollte ich arbeiten, danach würde ich mich den Restaurationsarbeiten an meiner Person widmen, damit ich dann auch tatsächlich um kurz nach acht in der Bar Cardinal sein konnte. Eine halbe Stunde sollte er mindestens auf mich warten, das gehörte sich so für eine anständige Italienerin. Ben wollte von einem Geschäftstermin direkt dorthin kommen, weshalb ich schon um kurz nach halb acht fertig sein musste, damit ich die S-Bahn noch erwischte.
Ich machte mir noch schnell eine heiße Schokolade –ausnahmsweise ohne Sahnehaube, damit ich heute Abend auch ja in mein neues Lieblingskleid passte – und stürzte mich in die Arbeit.
»Ma noooo!« , rief ich nach etwa drei Stunden. Jetzt gab doch tatsächlich dieser cretino von einem Laptop den Geist auf. Mitten in meinen geistigen Zauberberg -Ergüssen, die ich mir mühsam aus den Fingern gesogen hatte. Wenigstens die eine Hausarbeit wollte ich neben den vielen mündlichen Prüfungen dieses Semester hinbekommen, um meine Daseinsberechtigung an der LMU auch schriftlich für die Nachwelt zu dokumentieren. Doch statt meiner klug formulierten Sätze las ich nur: »Microsoft Office Word hat ein Problem festgestellt und muss beendet werden. Informationen, an denen Sie gearbeitet haben, sind möglicherweise verlorengegangen. Microsoft kann versuchen, diese für Sie wiederherzustellen. Informieren Sie Microsoft über dieses Problem.«
Na danke, liebes Word, dachte ich wütend, ich habe auch ohne dich schon Probleme genug. Verzweifelt hämmerte ich abwechselnd auf die Return- und die Escape-Taste und redete dem technischen Gerät gut zu. »Braver Computer«, säuselte ich, als wollte ich einen gutaussehenden Mann becircen, »komm, sei ein lieber Kerl und häng dich nicht auf.« Er hustete mir was, und als mir mitten in meiner waschechten italienischen Schimpftirade die Hand ausrutschte und ich ihm einen ungezielten Tastaturhaken verpasste, machte es plopp – und der Bildschirm war schwarz.
Aiuto! Nackte Panik erfasste mich, und da besondere Situationen besondere Maßnahmen erfordern, ließ ich meinen Stolz kurzerhand Stolz sein, stürmte aus dem Zimmer und rief laut: »Friedrich, Friiiieeeedrich! Kommst du bitte mal, ich brauche deine Hilfe.«
Keine Antwort. Ich rannte durch alle Räume, doch er war offensichtlich aus dem Haus gegangen, ohne dass ich es gemerkt hatte. Und jetzt? Otto!, war mein nächster Gedanke, und ich hatte ihn noch nicht zu Ende gedacht, da stand ich schon vor der Tür zur Nachbar-WG und klingelte Sturm. Es war inzwischen kurz nach vier, und ich betete zu allen Heiligen, die ich kannte, dass mein Retter für alle Lebenslagen schon zu Hause war. Tutti santi waren mir offensichtlich hold, denn die
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