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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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ihm auf dem Tisch lagen.
    Aus der engen Küche, die ihr als Atelier diente und in der sie sogar schon ein paarmal über der Gasflamme Radierungen angefertigt hatte, ein Zimmer, in dem man sich kaum umdrehen konnte vor lauter Bildern, Flaschen mit Chemikalien, riesigen, mit Pinseln vollgestopften Tontöpfen, der Marmorplatte, auf der sie ihre Farben mischte, der altmodischen Staffelei mit ihren Holzschrauben, dem Glasmörtel, in dem sie ihre Farben rieb, verkorkten Saftflaschen, in denen sie ihre speziellen Malmittel verwahrte, die auf Bienenwachs basierten wie die der alten Meister, hörte man nur den Wasserhahn tropfen.
    Vor der Staffelei, auf der Daphnes Verwandlung nach der Arbeit des Tages ruhte, standen die beiden anderen Ausländer. Der Ältere rauchte eine Zigarette aus einer fast feminin wirkenden, langen Bernsteinspitze, diskutierte laut und enthusiastisch und tat hin und wieder einen so großen Schritt zurück, daß er sich den Hinterkopf am Küchenschrank anschlug, was ihn wieder in seine vorherige Position zurückbrachte. Der andere Herr, der schöne junge Spanier, nahm eine sehr nachdenkliche Haltung ein, er stützte das Kinn in beide Hände und betrachtete gründlich ein Detail an Daphnes Mantel.
    – Seht ihr, ich habe es doch gesagt, eine wunderbare Künstlerin, eine Meisterin. Sie arbeitet nach der Art der van Eycks, mit einer graugrünen Imprimitur aus Eieröltempera und Bienenwachs.
    – Aber ist es denn wirklich eine Imprimitur?
    – Ich schwöre es! Ihr verlangt doch wohl nicht, daß ich an diesem wundervollen Kunstwerk herumkratze , um euch zu beweisen, was ich sage?
    Die Malerin G., die mittlerweile die Situation erfaßt hatte, hängte rasch den Mantel in ihre Garderobe und betrat die Küche. Sie fühlte sich jetzt weder müde noch schwindlig, sie war hellwach und entschlossen.
    – Natürlich haben Sie recht, sagte sie zu dem älteren Herrn. Ich habe eine Eierölimprimitur verwendet, allerdings nicht, wie Sie glauben, auf der Basis von Bienenwachs, sondern mit einem etwas komplizierten Malmittel nach meinem eigenen Rezept.
    – Mein Kompliment. Aber erlauben Sie bitte, daß wir uns Ihnen vorstellen: Ich heiße Baal B. Zvuvim, ich möchte vorschlagen, daß Sie mich Belo nennen, das tun alle meine Freunde, und dies sind meine Freunde, Herr Uriel und Herr Azaar. Wir bilden, könnte man sagen, eine Freundschaftsdelegation.
    – Ich habe schon verstanden, sagte die Malerin G. Ich bin ganz auf dem laufenden. Ich habe mir das Abkommen so ähnlich gedacht wie das mit Picasso. Drei Bilder pro Tag, ein Alter von neunzig Jahren, fünfzig Millionen Dollar, davon drei Millionen Vorschuß am Tag nach Vertragsabschluß, ein Atelier in Dahlem – Sie werden verstehen, daß ich diese enge Küche wirklich sehr satt habe –, die fünfzig Millionen sollten natürlich dem Geldwert von 1973 angepaßt werden, ja, so etwa habe ich mir das vorgestellt. Ach ja, da ist übrigens noch eine kleine Zusatzklausel.
    – Oh, diese kleinen Bedingungen sind für uns ganz nebensächlich, sagte Belo und strich sich seinen kurzgeschnittenen Bart. Ich bin ganz einverstanden mit dem Gedanken an einen Indexlohn, aber sollten wir nicht lieber gleich Nägel mit Köpfen machen und den Betrag auf, sagen wir, 200 Millionen Dollar erhöhen? Die Preise für französische Schlösser sind ja in den letzten Jahren entsetzlich gestiegen. Ich möchte wirklich vorschlagen, daß Sie die Summe auf 250 festsetzen. Und was war mit dieser Zusatzklausel?
    – Ich möchte so gern, sagte die Malerin G., wenigstens für vierundzwanzig Stunden meines Lebens ein anderer Mensch sein.
    – Aber warum denn?
    – Weil ich glaube, daß ich auf diese Weise mehr über die Geschichte und über mein eigenes Leben lernen könnte als durch irgend etwas anderes.
    – Oh, sagte Herr Belo. Das ist sehr schwierig, ein komplizierter Wunsch. Sagen Sie, haben Sie vielleicht ein Glas kalte Milch im Eisschrank?

Der Schwarm von Weißfischen
     
    Die Teetassen klapperten gemütlich auf dem Frühstückstisch. Vor dem Fenster tobte dasselbe Wetter wie an den Tagen davor, Hagelschauer wechselten sich mit einem kalten, zögernden Sonnenschein ab.
    Ein Flugzeug aus Hamburg mußte den Weg durch die morgendlichen Windstöße gefunden haben, denn ein armer durchnäßter, verfrorener Briefträger erschien und brachte schwedische Zeitungen von zehn Tagen, die mit Nässe vollgesogen und schwer aufzublättern waren.
    Manche Leute glauben, ich hätte ein manisches Interesse für das Wetter

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