Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)
wenn man nicht begreift, daß sie zum größten Teil aus Tagträumen besteht.
UND DASS DIESES LAND OKKUPIERT IST: MAN HAT MEINE TAGTRÄUME INFIZIERT, IN EINEM URSPRÜNGLICHEREN ZUSTAND SEHEN SIE GANZ ANDERS AUS
Mein Freund B., der junge, vielversprechende Dramatiker, ruft mich um ein Uhr nachts an und erzählt, ein äußerst skrupelloser Theateragent habe ihn um mehrere tausend Mark betrogen. Er habe sich an einen Anwalt gewandt, aber der meinte, es sei zwecklos. Die Gesetze seien nicht dazu da, um Gerechtigkeit zu üben, sie dienten vielmehr zur Sicherung des öffentlichen Friedens. Das heißt, sie seien dazu da, um Theateragenten zu schützen.
– Ist dir das denn noch nicht klar gewesen, sage ich. Ich dachte, das lerne man schon als Kind, in unserer Gesellschaftsschicht.
B. sagt, er habe anderen gegenüber immer behauptet, daß es so sei, es aber selbst nie ernst zu nehmen gewagt. Das heißt, er habe nie damit gerechnet, selbst davon betroffen zu werden.
B. hat jetzt seit elf Uhr wach gelegen und überlegt, was er tun soll. Man hat ihn um etwa zehntausend Mark geprellt. Nun hat er beschlossen, ganz unpersönlich und leidenschaftslos den doppelten Betrag zusammenzuklauen, wo er nur kann, in Banken, in Geschäften, überall, wo es keinen einzelnen trifft.
Mein erster Impuls ist, ihn zu warnen. So etwas kann nie gut gehen. Dann sehe ich ein, daß man ihm diese Entscheidung zweifellos selbst überlassen muß. Wahrscheinlich wird es hervorragend klappen, wie die meisten Delikte dieser Art, und es wird für seine persönliche Entwicklung sehr gut sein. Es wird ihm ein neues Gefühl der Freiheit geben.
Verbrechen zahlen sich in der Regel aus, wenn sie nur in einem genügend großen Maßstab begangen werden. Ein paar Tage nach dem Zusammenbruch des Kreugerkonzerns betrat ein junger Staranwalt Kreugers Bank in Stockholm, wo die verwirrte und total verängstigte Direktion auf die Polizei wartete und an Selbstmord dachte.
– Ich komme als Vertreter der staatlichen Untersuchungskommission. Ich möchte Sie bitten, mir alle Unterlagen auszuhändigen. Und dann, meine Herren, empfehle ich Ihnen, nach Hause zu gehen.
Nicht genug damit, daß es diesem Herrn wahrscheinlich gelang, einen großen Teil des Konzernvermögens zu beschlagnahmen. Es dauerte knapp zwei Monate, bis die Regierung sich tatsächlich dazu überreden ließ, ihn zum Leiter der staatlichen Untersuchungskommission zu ernennen.
Später setzte sich dieser Herr mit den Guthaben von Zehntausenden von schwedischen Kleinsparern diskret zur Ruhe. Ich glaube kaum, daß es einen einzigen Orden gibt, ausgenommen vielleicht den Serafimerorden, mit dem dieser Herr nicht ausgezeichnet worden ist.
Ich bin fest davon überzeugt, daß er für Recht und Ordnung eintritt.
Der Rentner, der im Supermarkt ein Paket mit tiefgefrorenen Fischstäbchen unter seiner Jacke verstecken will, stellt sich dabei so ungeschickt an, daß er auf der Straße geschnappt wird, und bekommt einen Herzschlag aus lauter Angst vor der Verhandlung im Amtsgericht.
Sein eigentlicher Fehler liegt natürlich in seiner Anspruchslosigkeit.
Es besteht kein großer Unterschied zwischen ihm und diesen Burschen aus Hall, mit ihren Gummimasken, ihren albernen Maschinenpistolen, ihrem rührenden Proletarierslang und ihrer Froschperspektive auf die Gesellschaft.
Keiner von ihnen hat eine Ahnung davon, wie man die Kriminalität erfolgreich organisiert. Letzte Woche hat eine Bande über Nacht Chiles legitim gewählte Regierung gestürzt, den Präsidentenpalast mit Jagdflugzeugen in Schutt und Asche gelegt, die halbe Beamtenschaft verhaftet, etwa tausend Menschen ermordet, und bevor am nächsten Morgen die Sonne aufging, übte sie eine absolute, totalitäre Herrschaft über den Staat aus.
Was schrieb Der Abend am nächsten Tag?
ALLENDES REGIERUNG IST GESCHEITERT
So macht man Nägel mit Köpfen. Mit etwas Glück wird dieses Buch vielleicht eines schönen Tages in der Gefängnisbibliothek von Hall oder Tillberga landen (es ist ja der Bibliotheksdienst in Lund, der darüber entscheidet, und wie man weiß, gibt es keine Verrücktheit, zu der diese Leute nicht fähig wären), und dann hoffe ich wirklich, daß ihr Jungens diesen Abschnitt mit Bedacht lest.
O.K. Ihr sitzt da und plant schon das nächste Ding? Ihr habt es praktisch fix und fertig ausgetüftelt, nicht wahr? Ich will euch nicht stören, aber laßt mich nur das eine sagen: Wahrscheinlich wird euer nächstes Ding genauso jämmerlich
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