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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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entschlossenen jungen Polen im Gedächtnis behalten, wie er mit seiner schwarzen Schutzbrille und der heruntergezogenen schwarzen Mütze im starken Frühlingswind für Polen und den Fahrradclub ANDROMEDA kämpft, Kilometer für Kilometer im gleichen unerbittlichen Tempo, um dann nur durch einen blöden Muskelriß in den allerletzten Minuten der Etappe um den Siegeskranz gebracht zu werden.

Zygmunt spacruje znowu?
     
    ZYGMUNT SPACRUJE ZNOWU?
     
    Peinlicher Zwischenfall in Krakau
    Sigismunds Sarkophag leer
     
    Krakau, Donnerstag – Einen ebenso sonderbaren wie unerklärlichen Vorfall im Krakauer Dom meldete am Donnerstag morgen Domverwalter Dr. Zbigniev Lanovsky der örtlichen Polizeibehörde. Im Laufe einer Inventur, die eine Restaurierungskommission im Dom vornimmt, wurde am Donnerstag der Sarg geöffnet, der schon so lange die irdischen Überreste von König Sigismund III. beherbergt hat. Dabei stellte sich heraus, daß der Sarkophag leer ist.
    »Das merkwürdige ist«, erklärt Kommissar Pryzbyzevski, Chef der Kriminalabteilung des dritten Bezirks, »daß der Sarg nicht die geringsten Spuren einer Gewaltanwendung von außen zeigt. Wahrscheinlich handelt es sich um die Tat einer revisionistischen Extremistengruppe. Wir haben gute Aussichten, den Tätern bald auf die Spur zu kommen. Im günstigsten Fall kann bereits innerhalb der nächsten Stunden mit einer Verhaftung gerechnet werden.«
    »Glücklicherweise«, sagt Professor Piatowski, Leiter des Universitätslabors für die Restaurierung sakraler Kunstwerke, »haben die Täter den Sarkophag, ein Meisterwerk barocker Bildhauerkunst, nicht im geringsten beschädigt.«
    »Die Spuren sind tatsächlich so unauffindbar«, fügt Professor Piatowski hinzu, »daß man meinen könnte, der Sarkophag sei von innen geöffnet worden.«
    (Trybuna ludu, 16.5.1973)

Porträt eines liberalen Seelenlebens:
Mitte der sechziger Jahre
     
    O.K. Immer mit der Ruhe, Jungs! Nicht schießen! Er kommt jetzt offenbar freiwillig raus. Nur ruhig. Ihr könnt wieder sichern, Jungs! Hoch die Visiere! Knöpft die kugelsicheren Westen auf! Achtung! Gewehr bei Fuß! Her mit der Feldküche und den Handschellen!
    Er kommt jetzt freiwillig raus.
    O.K., Jungs! Ich komme raus.
     
    ABER WAS ZUM TEUFEL WILL ER DENN MIT DEM SILBERTABLETT? MEINT ER VIELLEICHT, ER SEI EIN KELLNER? DER TYP IST JA ÜBERGESCHNAPPT, TOTAL ÜBERGESCHNAPPT:
     
    O.K. Ich will ganz aufrichtig sein. Zwischen dieser Seite und der vorhergehenden habe ich mehrere Wochen lang ernsthaft überlegt, ob ich nicht vielleicht aussteigen sollte. Es gibt auch andere Dinge zu tun. Man könnte zum Beispiel eine kleine Werkstatt in Norberg eröffnen. Dort würde all das repariert werden, was niemand sonst mehr reparieren mag, wo doch heutzutage alles gleich weggeschmissen werden soll, wenn es kaputtgegangen ist, vom Fernseher bis zur Lunge.
    Ich könnte alte Standuhren aus Dalarna annehmen, die die Sommergäste auf Auktionen gekauft haben, und sie vom Rost befreien, und auch Pumpen, elektrische Brunnenpumpen, kann ich reparieren und mechanisches Spielzeug. Ich bin sogar recht geschickt darin, rostige kleine Maschinerien behutsam auseinanderzunehmen, sie zu ölen und hier und da eine Feder oder ein Sicherungsblech einzusetzen, um sie wieder in Gang zu bringen.
    Davon könnte ich mich genausogut ernähren, und richtige gesellschaftliche Ambitionen habe ich ja nicht mehr. Ich weiß doch schon, wie es in Luxushotels und Direktionsspeisesälen aussieht, und es gibt keine Botschaft, in der ich nicht schon mal Kaviar gegessen habe.
    So hatte ich mir das also überlegt. Aber jetzt habe ich mich doch dazu entschlossen, wieder mit der Schriftstellerei anzufangen. Mit dem Schriftstellern.
    Gerade jetzt kann man doch allmählich erkennen, verdammt noch mal, wie die Erzählung enden könnte, das ist doch sonnenklar, oder nicht?
    Neulich abend besuchte ich ein paar nette deutsche Studenten; wir saßen in der üblichen Wohngemeinschaft unter den üblichen Riesenplakaten von Che Guevara, die jetzt immer häufiger gegen ebenso große Reproduktionen von Zeichnungen Aubrey Beardsleys ausgetauscht werden. (Die Schönheit ist das einzige, was besteht.)
    Wir saßen da, wie gesagt, und tranken ein paar Flaschen Wein, deren Bezahlung man mir, aufrichtig gesagt, zur Ehrenpflicht gemacht hatte – ich beginne in das Alter zu kommen, in dem man von mir erwartet, daß ich die Flaschen bezahle, wenn man sich mir zu Füßen setzen soll – und ich hatte gerade die

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