Ritter 01 - Die Rache des Ritters
und tiefer um diesen tröstlichen Gedanken wand. Abrupt erwachte er, richtete sich zum Sitzen auf und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Er öffnete die Augen und begegnete dem besorgten Blick seiner Gefangenen, die ihn aus einer für seinen Geschmack viel zu großen Nähe anblinzelte.
»Warum starrt Ihr mich an?«, knurrte er.
»Ihr hattet einen Albtraum«, erwiderte sie leise und wich vor ihm zurück, als hätte sie eine Schlange geweckt. »Ihr – Ihr habt den Namen meines Vaters gesagt.«
»Na und?«, entgegnete er mit eisiger Sachlichkeit, aber innerlich verfluchte er sich dafür, dass er eingeschlafen war und sie Zeugin eines seiner häufigen nächtlichen Schrecken geworden war. Es beschämte ihn und machte ihn wütend, dass er seine Gedanken im Schlaf nicht beherrschen konnte, es peinigte ihn ohne Unterlass, dass d’Bussy Nacht für Nacht in schrecklicher Lebendigkeit zurückkehrte, um ihn zu quälen, ihn in Schweiß gebadet zurückließ. Und manchmal ließen diese Träume ihn auch aufstehen und sich auf den Boden werfen, sodass er auf der nackten Erde lag, wenn er aufwachte. Gunnar presste die Handflächen an die Schläfen und versuchte, den Kopfschmerz zu vertreiben, der sich dort eingenistet hatte. Gott allein wusste, was er gesagt oder getan hatte während dieses Albtraums. Verdammt, und das in ihrer Anwesenheit.
»Wie sehr Ihr ihn hassen müsst.«
Gunnar sah sie prüfend an, suchte nach einer Spur von Spott, irgendeinem Hinweis auf Belustigung, hervorgerufen dadurch, dass sie ihn so sehr verletzlich gesehen hatte, in seinem schwächsten Zustand. Aber der sanfte Blick, der ihn traf, war ohne jeden Sarkasmus, ohne jede Boshaftigkeit.
»Ja«, antwortete er schließlich. »Das tue ich.«
Sie presste die Lippen zusammen, beschäftigte ihre Hände mit einem losen Faden an ihrem Kleid. »Es tut mir leid«, murmelte sie. »Es tut mir leid, dass Ihr glaubt, mein Vater sei solch schrecklicher Handlungen fähig … und es tut mir leid, dass es Euch so sehr quält.«
Irgendetwas traf ihn wie ein Stich in die Brust, trieb ihm fast die Luft aus den Lungen und ließ ihn verstört zurück. Verwirrt. Zitternd. Plötzlich wurde ihm klar, dass dieses Ding mit den scharfen Kanten ein Gefühl war – eine Empfindung für einen anderen Menschen, die ihm so fremd zu sein schien, so rostig, weil sie so lange nicht benutzt worden war.
Zuneigung.
Er empfand es, als er sie jetzt ansah, als er ihre mitleidige Miene sah, als er die seltsame Traurigkeit in ihrer Stimme hörte. Und allein der Gedanke, dass er etwas anderes als Verachtung für d’Bussys Tochter empfand, ließ ihn rasend werden vor Zorn.
»Verdammt, ich will Euer Mitleid nicht!«, schrie er sie an, seine widersprüchlichen Gefühle ließen seine Stimme noch wilder klingen.
Sie runzelte die Stirn. »Aber ich – «
»Und ich brauche Eure Besorgtheit nicht!«
Bei diesen Worten sprang er auf, ergriff seinen Umhang, schüttelte das Reisig herunter, das zu seinen Füßen auf den Boden fiel. Er konnte hier nicht bleiben – mit ihr – keinen einzigen Augenblick. Er musste in seine Burg, wo er sich besser unter Kontrolle hatte. Wo er sie wegsperren konnte und wo er sie verdammt noch mal vergessen konnte, bis die Zeit kam, sie gegen ihren Vater auszutauschen.
»Wir brechen auf!«, befahl er, durchmaß mit großen Schritten das Zimmer, als sie aufstand und ihn verwirrt ansah. »Nehmt die Decke und das Essen und kommt mit. Sofort!«
Sie folgte seinem Befehl, raffte alles zusammen und lief an ihm vorbei durch die offene Tür hinaus auf den Gang. »Ich verachte Euch.« Auf dem Treppenabsatz war sie stehen geblieben und hatte sich zu ihm umgewandt. Ihre Stimme klang belegt, ihre Augen funkelten von ungeweinten Tränen. »Ich hätte davonlaufen sollen – «
Sie verstummte abrupt, biss sich auf die Lippen, als hätte sie gerade ein Geheimnis verraten, und Gunnar begriff plötzlich, dass die Tür weit offen gestanden hatte – dass sie schon offen gewesen war, als er aus seinem Albtraum erwacht war. Er runzelte die Stirn, verblüfft und mehr als nur ein wenig verärgert. Bei Gott, sie hätte ganz leicht fliehen können, während er geschlafen hatte! Sie hätte fortlaufen können … und doch war sie geblieben. An seiner Seite.
»Aye. Das hättet Ihr tun können, mein Lamm«, stimmte er sanft zu und wünschte plötzlich mit jeder Faser seines Seins, sie hätte es getan.
Rutledge war ihre Anwesenheit offensichtlich leid und hatte nicht vor, seinen Sattel
Weitere Kostenlose Bücher