Ritter 01 - Die Rache des Ritters
sie wollte sich nur erleichtern, Agnes«, sagte der Squire. »Ich sehe keinen Grund, Mylord das zu berichten.« Er gab sich offensichtlich Mühe, männlich und autoritär zu klingen, was seinen Versuch umso liebenswerter für Raina machte, als seine Stimme brach.
»Ach, tatsächlich?«, erwiderte Agnes herausfordernd. »Nun, dann halte sie nicht weiter auf, Alaric! Geh und sorg dafür, dass sie ihr Geschäft erledigt, damit sie zurück an ihre Arbeit gehen kann.«
Der Squire sah von Agnes zu Raina, dann wieder zu Agnes. Sein Mund öffnete sich und schloss sich wieder, aber es war Agnes, die das Schweigen brach.
»Ach vergiss es«, schnaubte sie. »Ich werde sie begleiten! Ein Blick auf ihre blanke Kehrseite würde dir ohnehin den letzten Rest Verstand rauben.« Sie packte Raina am Ellbogen, als wollte sie sie mit sich ins Dickicht zerren.
»Nein, warte!«, schrie Raina. »Ich muss nicht mehr gehen.«
Agnes kicherte. »Glaubst du das, Alaric? So, wie du über sie gekommen bist, muss dem armen Ding das dringende Bedürfnis schlichtweg vergangen sein.«
Raina sah den Squire an. »Bitte, ich würde gern meine Arbeit zu Ende machen und damit fertig werden.« Er biss sich nachdenklich auf die Lippen, dann nickte er zustimmend.
»Ich sage noch immer, dass sie die Peitsche zu schmecken bekommen muss«, grummelte Agnes, als sie zurück zum Teich ging und Raina neben dem Pferd des Squires stehen ließ.
»Kein Wort zu ihm?«, bat Raina. Der Knappe wandte den Blick ab und schaute auf seine Hände, offensichtlich unfähig, dem zuzustimmen, was sich zu einem Vertrauensbruch an seinem Lord auswachsen könnte. Raina streckte die Hand aus und legte sie für einen kurzen Moment auf seine. »Ich werde Euch Eure Freundlichkeit nicht vergessen, Alaric.«
Sprach’s und bückte sich, um die nächste Tunika von dem Kleiderstapel zu nehmen, und folgte Agnes zum Teich. Einige Male wagte sie einen neugierigen Blick über die Schulter, und jedes Mal beobachtete der Squire sie aufmerksam von seinem Standort am hohen Uferkamm aus. Einmal lächelte sie ihm zu, und seine Wangen wurden fast so rot wie sein Haar, ehe er den Blick abwandte.
Den Rest des Vormittags über lächelte Raina ihn oft an und versuchte, ihn jedes Mal, wenn sie aus dem Wasser kam, in ein Gespräch zu verwickeln. Nicht nur, dass sein freundliches Wesen die Zeit schneller vergehen ließ, sondern es lenkte sie auch davon ab, sich über den Zustand ihrer Hände Gedanken zu machen, die nach dem Waschen der ersten beiden Tuniken bereits erste Spuren der ungewohnten Arbeit zeigten. Und dabei wartete immer noch ein ganzer Berg von Wäsche auf sie! Sie hatte es absichtlich bis zum Schluss vor sich hergeschoben, Rutledges Hosen anzufassen. Sie sehnte sich danach, eine Pause zu machen, aber Agnes sagte ihr, dass zuerst die Arbeit zu Ende gebracht werden müsse.
Schließlich konnte sie die gebückte Haltung nicht länger ertragen und musste sich zudem wirklich erleichtern. Sie wandte sich mit ihrem Anliegen an Alaric. Er sah sie zweifelnd an.
»Wenn Ihr versucht zu fliehen – «
»Das werde ich nicht. Ihr habt mein Wort. Außerdem bin ich viel zu erschöpft, um auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden.«
Er runzelte die Stirn. »Also gut, aber ich muss darauf bestehen, dass Ihr in der Nähe bleibt.«
»Ihr könnt selbst Wache stehen oder mir Agnes mitgeben.« Sie strich sich mit dem Unterarm über die schweißnasse Stirn. »Das ist in Anbetracht der Umstände nur eine kleine Demütigung, das versichere ich Euch.«
Alaric stieß einen schweren Seufzer aus. »Ich werde Euer empfindsames Zartgefühl nicht weiter verletzen, Mylady. Da Ihr mir Euer Wort gegeben habt, nehme ich an, dass einige Augenblicke der Ungestörtheit nicht schaden können.«
»Danke«, murmelte sie und zog sich in das Gebüsch zurück.
Raina musste Alarics Ritterlichkeit bewundern und fragte sich, wie er es geschafft hatte, sie sich anzueignen, da er einem so arroganten und herrischen Lord diente. Rutledge, der Schuft, hätte wahrscheinlich seinen großen Spaß dabei gehabt, sie noch weiter zu erniedrigen. Sie dankte allen Heiligen, dass er ihr an diesem Vormittag an seiner statt seinen Squire geschickt hatte.
Nur wenig entfernt fand sie eine Stelle, die ihr zusagte. Sie hob ihre Röcke, um sich hinzukauern. Raina hatte keine Ahnung gehabt, wie müde ihre Beine waren, bis sie versuchte, sich hinzuhocken, und fast vornüber gekippt wäre. Sie stützte sich ab und fasste dabei in einen großen
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