Ritter 01 - Die Rache des Ritters
Alte Binsen mussten zusammengefegt und neue gestreut werden, Gemüse musste geerntet und das Fleisch für das Abendessen vorbereitet werden.
Raina konnte noch das protestierende Gegacker des Hahns hören, den sie draußen eingefangen und an den Füßen gepackt zu Agnes auf den Burghof gebracht hatte. Agnes hatte neben einem Baumstumpf auf sie gewartet, mit einer Axt in der Hand und einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Sie hatte mit einem Kopfnicken auf den Baumstumpf gewiesen.
»Haltet jetzt still und passt auf Eure Finger auf, damit Ihr sie nicht verliert.«
Raina war bei diesem Bild ganz übel geworden, und sie hatte gestammelt: »A-Aber i-ich glaube n-nicht, dass – «
Binnen eines Herzschlags war alles vorbei: Agnes packte den Vogel, stellte ihren Fuß auf seinen Kopf und schlug ihn ihm sauber ab. Der kopflose Körper fiel auf die Erde zu ihren Füßen und flatterte mit den Flügeln, wie ein Fisch auf dem Trockenen zappelte, während Raina versuchte, dem Blut auszuweichen, das herausspritzte. Agnes brüllte vor Lachen, verschluckte sich fast daran, als sie hervorstieß: »Oh, dieser Ausdruck auf Eurem Gesicht!«
Als der Vogelkörper endlich ausgenommen und gerupft dalag, ließ Raina sich inmitten einer Flut von herumwirbelnden Federn auf die Knie nieder und würgte. Gott sei Dank hatte Agnes doch noch einen Funken Mitgefühl aufgebracht und beschlossen, die anderen beiden Vögel selbst zu holen und ohne Rainas Beistand zu schlachten.
Alle drei lagen jetzt goldbraun gebraten auf Platten und warteten darauf, den in der Halle versammelten Männern serviert zu werden. Wildbret vom Abend zuvor würde auch aufgetragen werden, zusammen mit Rainas Kohleintopf und frischem Brot und Käse. Sie hätte eigentlich einen unbezähmbaren Appetit haben müssen, aber stattdessen rebellierte ihr Magen bei dem Gedanken an Essen, und der brodelnde Eintopf in dem Topf vor ihr hob und senkte ihr den Magen, als triebe sie seekrank auf wogenden Meereswellen.
»Genug gerührt«, erklärte Agnes resolut, nahm Raina den Löffel weg und drückte ihr einen bis zum Rand mit Essen gefüllten tiefen Teller aus Brot in die Hand. »Bringt das hinaus zu Lord Gunnar, dann kommt Ihr zurück, und ich werde Euch noch mehr geben.«
Ein ganzer Kapaun lag dort inmitten eines wahren Gemüsegartens, begleitet von einem großen Kanten gelbem Käse. »Das alles wird er essen?«, fragte Raina ungläubig.
»Wenn er nicht inzwischen vor lauter Warterei hungers gestorben ist!«, rief Agnes und wischte sich die Hände an ihrer schmutzigen Schürze ab.
Raina verließ eilig die Küche und schlug den Weg über den Burghof ein, der zur Halle führte. Ein Hund, der im Schatten der Turmmauer gedöst hatte, erhob sich, als Raina sich anschick te, an ihm vorbeizugehen. Während der Hund den Brotteller beäugte, hoben sich seine Hängeohren ein Stückchen. Er winsel te und leckte sich das Maul, bevor er langsam auf Raina zuging.
»Bleib, wo du bist, du hässliches Vieh.«
Raina ging schneller. Sie fühlte den Hund, der ihr auf den Fersen folgte, einen Moment, bevor er nach dem Teller sprang. Sie stieß ihn mit dem Ellbogen weg, aber er sprang noch einmal hoch, dieses Mal glitt ihr der Teller aus den Händen und fiel auf den Boden. Raina fing mit einer Hand den Käse auf, aber das Gemüse verteilte sich überall. Der Hund schnappte sich den Kapaun aus der Luft, ließ sich nieder und machte sich über ihn her.
»He! Gib das her!« Raina legte den Käse zur Seite und stürzte sich auf den Vogel, versuchte, ihn den Pfoten des Hundes zu entreißen. Er knurrte und hielt ein Hühnerbein im Maul, seine braunen Augen zeigten die gleiche Entschlossenheit, die Raina empfand. Sie zog stärker. »Lass … los! «
Die Keule brach in der Schnauze des Hundes entzwei, und Raina presste den Rest des Vogels an ihre Brust, dann hob sie eine Rübe auf und warf sie dem Hund an den großen Kopf. Er zuckte zusammen und verzog sich zusammen mit seinem mageren Gewinn in den Schatten.
Raina stand da, verkrampfte die Hände in ihren Röcken und warf einen Blick auf das, was von Rutledges Mahlzeit noch übrig war. Der Teller war noch brauchbar, aber alles andere lag auf der Erde. Wie es aussah, hatte sie nur zwei Möglichkeiten: mit dem ruinierten Essen zurück in die Küche zu gehen und sich Agnes zu stellen, die sicherlich in eine Tirade über ihre Nachlässigkeit ausbrechen würde, oder zu retten, was zu retten war, und es Rutledge zu servieren.
Während sie darüber nachdachte,
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