Ritter des dunklen Rufes
rutschte aus und wäre beinahe gestürzt, doch dann begann er zu laufen. Das Eis knirschte unter seinen Füßen, gab jedoch nicht nach, bis er fast das Ufer erreicht hatte. Er platschte noch ein kurzes Stück durchs Wasser und zog sich dann aufs Trockene. Als er sich umdrehte, sah er, wie Elodan auf der Planke stand, die Axt in der Hand. Dann sprang der Ritter von dem Brett und bewegte sich nach links, wo das Eis am dünnsten war. Lámfhada sah, wie er nach vorn fiel, Arme und Beine gespreizt, und beobachtete, wie er weiter auf dem Eis vorwärtsglitt. Das Untier änderte die Richtung – und griff Elodan an.
Der Ritter rollte sich auf den Bauch und ließ die Axt wieder und wieder auf das Eis niederkrachen. Große Sprünge erschienen. Eine Eisscholle tauchte Elodan ins Wasser. Das Untier versuchte anzuhalten, aber eine weitere Scholle gab nach, und mit einem lauten Klatschen fiel es ins Wasser. Für einen Moment war nur sein Kopf zu sehen, dann wurde es unter die Oberfläche gezogen. Lámfhada sah, wie Elodan sich an dem Eis festklammerte. Der Junge stand auf und lief auf der Suche nach einem Weg zu dem Ritter am Ufer entlang.
Elodan erblickte ihn. »Bleib weg«, rief er und versuchte, sich auf das Eis zu ziehen, aber mit nur einer Hand erwies sich das als unmöglich. Das Eis gab wieder nach … und Elodan verschwand aus Lámfhadas Blickfeld.
»Nein!« schrie Lámfhada.
Er stolperte einen guten Kilometer weit am Ufer entlang, denn er konnte die dunklen Umrisse seines Freundes sehen, der unter dem Eis trieb. Aber nach fast einer halben Stunde wusste er, dass es hoffnungslos war.
Lámfhada setzte sich auf einen umgestürzten Baum. Müdigkeit und Schock überkamen ihn, und er begann zu weinen. Endlich versiegten seine Tränen, und er stand erschöpft auf und blickte auf den Fluss hinaus. Etwa dreißig Schritt flussabwärts konnte er in Ufernähe einen schwarzen Umriss sehen, von dem er wusste, dass es der Leichnam Elodans unter dem Eis sein musste. Er ging näher heran. Die Strömung bewirkte eine scheinbare Bewegung seines Freundes, der Arm schien gegen das Eis zu klopfen. Lámfhada nahm einen schweren Ast und schlug damit auf die Oberfläche ein. Noch zweimal schlug er zu – dann brach das Eis. Er griff hinunter, erwischte Elodans Weste und zog den Körper mühsam an Land.
»Mach … bitte … Feuer an«, wisperte Elodan. Lámfhada zog den Ritter vom Ufer weg in eine kleine, von Bäumen geschützte Lichtung. Er befreite den Boden von Schnee, um ein Feuer anzünden zu können, und sammelte Holz und Zunder, aber seine Finger waren zu klamm, die Feuersteine zu halten. Er rieb sie wütend aneinander und versuchte es immer wieder, bis endlich ein Flämmchen aufflackerte. Vorsichtig pustete er und legte dann kleine Zweige hinzu. Nach einer Weile, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, brannte ein helles Feuer. Er half Elodan aus den steifgefrorenen Kleidern und rieb ihm Arme und Brust kräftig ab, um das Blut wieder zum Fließen zu bringen. Dann streifte er einen seiner Umhänge ab und zog ihn Elodan über den Kopf. Er fachte das Feuer weiter an, bis die Flammen über einen Meter hoch schlugen.
»Das möchte ich nicht noch einmal erleben«, sagte Elodan, als wieder Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt war.
»Wie hast du so lange unter Wasser aushalten können?« fragte Lámfhada. »Bist du auch ein Magier?«
»Nein – aber ich kenne mich in der Natur aus. Zwischen dem Eis und dem Wasser ist ein etwa handbreiter Spalt. Ich bin auf dem Rücken geschwommen, quer zur Strömung, und habe eine Stelle nahe am Ufer gesucht, wo das Eis dünn war. Aber die Kälte hätte mich um ein Haar fertiggemacht. Ich hatte nicht mehr die Kraft, es zu durchstoßen.«
»Es war sehr tapfer, dein Leben gegen dieses Untier aufs Spiel zu setzen.«
Elodan schüttelte den Kopf. »Du darfst nicht Mut mit Notwendigkeit verwechseln. Wenn man nur eine Wahl hat, ist es keine Frage von Tapferkeit mehr.«
»Du hättest weglaufen können.«
»Das Eis hätte mich nicht getragen.«
»Das weißt du nicht, Herr Ritter«, sagte Lámfhada.
»Nein, da hast du Recht. Jetzt lass uns nicht mehr davon reden. Morgen werden wir deinen Zauberer suchen. Aber jetzt muss ich schlafen.«
Für die Wunden in Grunzers Rücken waren mehr als vierzig Stiche nötig, doch als Nuada den großen Eichentisch erklomm, um der Versammlung vom Kampf mit dem Ungeheuer zu erzählen, saß er wieder in seinem Sessel. Llaw Gyffes und Arian setzten sich neben Grunzer. Alles schwieg,
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