Ritter des dunklen Rufes
dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die beiden Männer aneinandergerieten, und er wollte nicht im Dorf sein, wenn es zu Gewalttätigkeiten kam.
Er mochte Llaw, und auf eine seltsame Art auch Grunzer.
Am Morgen des sechsten Tages stahl sich Nuada aus dem Dorf, machte sich durch den froststarren Wald auf den Weg nach Westen und suchte die rettende Königsstraße mit ihren Kneipen und Wirtshäusern. Den größten Teil des Tages wanderte er und schlug sein Lager in einer windgeschützten, flachen Mulde auf. Dort zündete er ein Feuer an und verwünschte seine Dummheit. Im Dorf war es wenigstens warm und gemütlich gewesen, hier draußen griff der Tod mit eisigen Fingern nach ihm. Am nächsten Morgen setzte er, frierend und verängstigt, seinen Weg fort, aber die Pfade, von denen man ihm erzählt hatte, lagen unter einer Schneedecke verborgen, und der graue, tiefhängende Himmel bot ihm keine Orientierungshilfen. Er stolperte weiter, am ganzen Körper zitternd, und gegen Mittag hatte er sich hoffnungslos verirrt.
Hier gab es keine Höhle, die ihm half, und so schlug er sein Lager hinter einigen Felsen auf, wo er sich verzweifelt bemühte, ein Feuer zu entfachen, aber der Wind blies es immer wieder aus. Eine große Müdigkeit überfiel ihn, und die Kälte schien nachzulassen. Er hatte nur noch den Wunsch, sich in den Schnee zu legen und zu schlafen.
»Sei kein Narr!« schalt er sich und stand auf, zwang sich, langsam weiterzugehen. Sein Fuß versank in einer Schneewehe, so dass er beinahe stürzte. Er griff nach einem schneebedeckten Ast, der aus dem Boden ragte. Der Ast brach, und der Schnee rieselte herab. Nuada schrie auf was er da festhielt, war kein Ast, sondern ein Arm – gefroren und schwarz. Er warf sich nach links und traf auf etwas Festes unter dem Schnee. Er rappelte sich auf, als der Schnee herabglitt und den Oberkörper eines Mannes freigab – das Gesicht grau, die Zähne zur Karikatur eines Grinsens entblößt.
Nuada sah sich um. Überall waren Anzeichen des Todes. Panik überfiel ihn, als er vor diesem eisigen Friedhof zurückschreckte.
Ich werde hier nicht sterben! Ich will nicht!
Der Geruch von einem Holzfeuer stieg ihm in die Nase. Irgendwo hatte irgendjemand ein Feuer entzündet. Der Wind kam ihm entgegen, und so hielt er laut rufend darauf zu. Er stolperte weiter, stürzte in einer Schneewehe und befreite sich mühsam wieder. Jetzt war der Geruch stärker. Er rief wieder – und stürzte. Er begann zu kriechen.
»Hier drüben!« hörte er jemanden rufen, und Hände zogen an seinen Armen.
Nuada erwachte in einer tiefen Höhle, in der ein großes Feuer flackerte. Er setzte sich auf und schob den fellgefütterten Umhang weg, mit dem man ihn zugedeckt hatte. Sieben Männer und vier Frauen saßen um das Feuer. Ihre Gesichter waren hager und ausgemergelt.
»Danke«, sagte er. »Ihr habt mir das Leben gerettet.« Die Männer schenkten ihm keine Beachtung, aber eine junge Frau mit rabenschwarzem Haar setzte sich neben ihn.
»Ich fürchte, es ist nur eine vorübergehende Rettung«, sagte sie. »Wir haben nichts zu essen, und die Wege sind unpassierbar.«
»Woher kommt ihr?«
»Von nirgendwo«, antwortete sie. »Wir sind jetzt Nicht-Menschen und versuchen, nach Cithaeron zu gelangen. Wir haben das Reich vor vier Tagen verlassen und uns Flüchtlingen angeschlossen. Dann setzten die Schneefälle ein.«
»Wo sind die anderen?« fragte er.
Sie deutete mit dem Arm auf den Höhleneingang. »Da draußen. Manche haben sich einen Windschutz gebaut, andere haben versucht, sich einen Weg zur Küste zu bahnen. Sie sterben alle.«
»Wie viele seid ihr?«
»Am Anfang waren wir zweihundert. Ich weiß nicht, wie viele inzwischen gestorben sind.«
Nuada stand auf und befestigte den Umhang an seinen Schultern. Er ging zum Höhleneingang und betrachtete den Himmel. Er war wolkenlos, die Sterne funkelten wie Diamanten. »Ich werde Hilfe holen.«
»Du bist da draußen fast gestorben. Geh nicht zurück. Selbst wenn du den Winter besiegst, ist da immer noch der Mörder Grunzer.«
»Leiht mir den Mantel«, bat er, »dann komme ich mit Lebensmitteln zurück. Sammle so viele deiner Leute hier, wie du kannst, sag den anderen, sie sollen nicht weiterziehen.«
»Warum tust du das für Nomaden?« fragte sie.
»Weil ich ein Narr bin«, antwortete er. »Hol deine Leute.«
Er ging in die Nacht hinaus und begann Richtung Osten zu steigen, wobei er dem ausgestreckten Finger des Sternenkriegers folgte und seinen Weg
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