Ritter-Geist
nachlassen würde oder die Gnome nicht länger in Kuhleutehöhlen arbeiteten, würden wir in heißem Wasser landen.
An diesem Abend schienen sich keine Gnome mehr in der Nähe unserer Zelle aufzuhalten, doch ein Barbar traut niemals dem ä u ßeren Schein. Es war ja auch möglich, daß einer von ihnen in einer Nebenzelle lauschte, um sicherzugehen, daß wir nicht heimlich irgendwelche Fluchtpläne schmiedeten. Also sprach ich über di e ses Thema auch nicht mit Threnodia. Doch als die Finsternis den Lüftungsschacht umhüllte, setzte ich mich neben sie, lehnte mein Gesicht an ihres – das heißt natürlich an meines – und murmelte: »Eines Tages werden sie uns kochen.«
»Ja, dann landen wir wirklich im Topf«, stimmte sie mir zu.
»Deshalb müssen wir auch unsere Flucht planen. Morgen werdet Ihr kräftiger sein, aber es wird noch einen weiteren Tag dauern, bis Ihr voll bei Kräften seid. Meint Ihr, daß wir solange warten kö n nen?«
»Ich glaube schon«, erwiderte sie. »Die Höhle, in der sie Bergbau betreiben, ist ziemlich groß, und wahrscheinlich auch nicht die einzige. Doch wollen wir es lieber jetzt schon in allen Einzelheiten sorgfältig planen, nur für den Fall, daß wir es morgen versuchen müssen. Ich glaube, die Kuhleute werden uns schon durch ihre eigenen Gänge passieren lassen – aber wir müssen sicher sein, daß es von dort einen Weg nach oben gibt.«
Ich hatte mich auf meinen Ellenbogen abgestützt, um ihr ins Ohr zu flüstern, aber das war für meinen Arm langsam unbequem, doch ich wollte mich nicht von ihr fortbewegen und lauter spr e chen müssen. »Äh, darf ich mich gegen Euch lehnen?« fragte ich.
»Klar«, sagte sie barsch. »Hier, legt Euren Kopf gegen meine Schulter, dann halte ich Euch fest.«
Also legte ich meinen Kopf in die Beuge zwischen Schulter und Hals, während sie mir den muskulösen Arm um den Leib schlang. Da legte sich auf ziemlich vertrauliche Weise eine große Hand auf meinen Busen. »Äh, Eure Hand…«, sagte ich.
»Was?« Sie klang verärgert. Und dann legte sie mir beide Hände auf die Schultern, zog mich an mein Gesicht heran und küßte mich auf den Mund.
Ich riß mich los und hob die Hand, um ihr eine saftige Ohrfeige zu verpassen. Dann krabbelte ich außer Reichweite.
»Warum habt Ihr denn das getan?« wollte sie wütend wissen. Selbst im Dunkeln war ich mir ihrer großen Muskeln bewußt, die sich ungemütlich anspannten, und ebenso ungemütlich wurde mir der Kräfteunterschied unserer beiden Körper klar. Sie war zwar noch nicht völlig wiederhergestellt, konnte mich aber mühelos durch die Zelle schleudern, wenn es sie danach gelüsten sollte.
»Entweder Ihr benehmt Euch, oder ich rufe nach den Gnomen!« sagte ich spitz.
»Aber ich habe doch nur…«, begann sie mit verdutzter Stimme.
»Ja, Ihr habt nur auf Eure starken männlichen Leidenschaft re a giert! Ihr glaubt doch, daß jede verfügbare Frau nur dazu da ist, daß Ihr sie… sie…« Ich konnte nicht mehr weitersprechen, von der Vorstellung entsetzt.
»Meine männlichen Leidenschaften!« erwiderte sie empört. Doch dann begann sie reumütig zu lachen. »Wißt Ihr, das stimmt sogar, noch nie habe ich solche Regungen empfunden. Ich bin völlig… ich… reagieren Männer immer so auf Frauen?«
»Auf hübsche«, meinte ich vorsichtig.
»Ich habe nie gewußt, wie das mit Männern ist! Wie schafft Ihr es bloß, Euch jemals in Gewalt zu halten?«
»Das ist nicht immer einfach«, gestand ich und fühlte mich wider Willen besänftigt. »In jener Nacht, als Ihr neben mir lagt und g e atmet habt…«
Wieder lachte sie. »Ich weiß! Jetzt kann ich mir genau vorstellen, wie Ihr Euch gefühlt habt. Dieser Schmutz, von dem Ihr gesagt habt, er sei in Eurem Geist – ich glaube, davon hat einiges auf mich abgefärbt, weil… na ja, egal. Ach, Jordan – Ihr wart ja der reinste Heilige!«
»Heilige sind mythische Wesen in Mundania«, brummte ich, noch mehr besänftigt. Doch dieses Ereignis hatte auch mich etwas außer Fassung gebracht. Noch nie hatte ich die Sache aus der Sicht der Frau erlebt.
»Ich möchte mich entschuldigen«, sagte Threnodia. »Ich habe mich hinreißen lassen.«
»Ich nehme Eure Entschuldigung an«, sagte ich gnädig. Und so versöhnten wir uns wieder miteinander. Doch körperlichen Ko n takt stellten wir nicht mehr her, und in dieser Nacht besprachen wir auch nicht mehr unsere Fluchtpläne.
Der nächste Tag glich dem anderen. Wir aßen, übten ein neues Lied ein und
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