Ritter-Geist
die Wunden waren verheilt. Das hatte länger gedauert als das Heilen meines zermalmten Beins – du weißt schon, die Auseinandersetzung mit dem Rokh –, weil das Nachwachsenlassen komplizierter ist als das bloße Heilen einer bereits bestehenden Anatomie. Der Fleischverlust hatte mich ein wenig geschwächt, da mein Heiltalent nicht etwa Materie aus dem Nichts hervorbringt, es zehrt vielmehr von den verbliebenen Kraftreserven meines Körpers. Aber ich war funktionsfähig. Vor diesem Abenteuer war ich ein kraftstrotzender junger Mann gew e sen, und nun strotzte ich lediglich ein bißchen weniger von Kraft. »Kipp den Topf um«, sagte ich zu Pook.
Das tat er auch – und das war zugleich der erste handfeste B e weis dafür, daß er meine Worte vollkommen verstehen konnte. Zusammen mit dem Wasser schwappte ich hinaus. Die Callis schliefen derart fest, daß weder das Scheppern des Topfes noch das Rauschen des Wassers sie aufweckte. Tatsächlich war das G e räusch über dem Getöse ihres Schnarchens kaum zu hören, und das Wasser übertraf an Masse auch nicht den Geifer, der ihnen aus dem Maul sabberte.
Mit wackelnden Knien bestieg ich Pooks Rücken, ich hielt nur kurz inne, um mein treues Schwert wieder an mich zu nehmen. Mein Bogen war den Callicantzari zum Opfer gefallen; vielleicht hatten sie ihn dem Feuerholz für die kommende Kochorgie zug e schlagen. Ein solches Sakrileg traue ich derartigen Wesen durchaus zu! Meine Stiefel hatte ich noch immer an, denn sie hatten nicht daran gedacht, sie mir auszuziehen, bevor sie mich in den Topf warfen.
Dann waren wir auch schon wieder unterwegs, zwängten uns durch die Gänge und ließen den dicken Lärm und Gestank hinter uns. Endlich gelangten wir am südöstlichen Berghang hinaus ins Freie, in einen wunderschönen hellen, strahlenden Morgen. Oh, was war das für eine Erleichterung! Wenn ich schon sterben mu ß te, so wollte ich es lieber in der offenen Wildnis tun als in den dumpfen, geschlossenen Höhlen.
4
Elfenreich
Wir entdeckten einen klaren Bach und eine Gruppe von Pastete n bäumen, und ich aß und trank und sammelte geeigneten Ersatz für meine Kleidung von Schuhbäumen – meine Stiefel waren klitsc h naß, so daß ich für die Übergangszeit, bis sie trocken waren, and e res Schuhwerk benötigte –, Hosenbäumen und Hemdbäumen, um zu ersetzen, was mir verlorengegangen war. In der Zwischenzeit graste Pook. Ich versuchte nicht, ihn festzuhalten oder anzubi n den, erstens fehlte mir dazu die Kraft, und außerdem hatte ich das Gefühl, kein Recht dazu zu haben, schließlich war er doch aus freien Stücken zu mir zurückgekehrt. Vielleicht war er ja nicht g e zähmt, aber er hatte sich dazu entschlossen, für eine Weile mein Gefährte zu bleiben. Ich fragte mich, warum. Ich bemerkte, daß er sich nicht sehr weit von mir entfernte, bezweifelt aber, daß dies auf einer plötzlich erwachten Zuneigung beruhte. Dabei hoffte ich, daß ich die Sache nicht in einem allzu zynischen Licht sah – doch schließlich wußte ich ja genau, daß ich ihm einigen Ärger beschert hatte, und Barbaren sind nicht eben für ihre Feinfühligkeit hi n sichtlich persönlicher Beziehungen berühmt.
Es dauerte nicht lange, bis ich es herausfand. Pook hob den Kopf, rasselte mit den Ketten und kam auf mich zu.
»Soll das heißen, daß du willst, daß ich auf dir reite?« fragte ich verwundert. »Du machst dich gar nicht allein auf den Weg hinaus in die Wildnis, obwohl du genau weißt, daß ich im Augenblick weder Kraft noch Neigung dazu habe, dich wieder einzufangen?« Genaugenommen hatte ich mich mit Pasteten vollgestopft, was mich eher träge als schwach gemacht hatte, doch andererseits war dies auch das erste Mal, daß ich mein neues Gesicht und meine Verdauungsorgane benutzte. Am Anfang ist das immer etwas schwierig, und es dauert in der Regel einige Stunden, bis alles so läuft, wie es soll. Es gab da eine Menge Gas, und ich fühlte mich ein wenig grün im Gesicht. Doch mit jedem Rülpsen fühlte ich mich erleichtert. Allerdings war es keine Frage, daß ich an Unte r gewicht litt. Es würde noch einige Tage dauern, bis ich so gut wie neu war, doch dazu bedurfte es noch einer Menge Ruhepausen und Nahrungsaufnahme. Ich war schließlich kein Magier, mein magisches Talent mußte durch Mäßigkeit in Schach gehalten we r den.
Ich wußte Pooks Angebot sehr zu schätzen, egal aus welchen Gründen es erfolgte. Es war weitaus leichter zu reiten als zu gehen, bis meine Beinmuskeln sich
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