Ritualmord
für besoffen gehalten habe. Okay.« Er räusperte sich und warf einen Blick auf die Karaffen auf dem Sideboard, die im Licht funkelten wie Christbaumschmuck. »Wir nehmen das hier, und die Sache ist aus der Welt. Ich meine, Sie benehmen sich nicht, als wären Sie besoffen, und Sie riechen auch nicht so.«
»Weil ich es nicht bin.«
»Es ist bloß...« Er sah verlegen aus, als er das Testgerät einschaltete, darauf wartete, dass es seinen Selbsttest absolvierte, und dann das Mundstück aufsteckte. »Ich muss es einfach ausschließen.«
»Sie wollen mich da reinblasen lassen?«
»Jemand muss es tun.«
»Aber wir sind hier nicht im Gewahrsamstrakt. Hier gibt's keine Kameras.«
Er lächelte wieder, als hätte er sie nicht verstanden. »Bringen wir's hinter uns. Ich hab in zehn Minuten dienstfrei.«
Sie starrte ihn mit klopfendem Herzen an. »Es würde vielleicht blöd aussehen, wenn Sie Ihre Meldung zurückziehen, aber Sie könnten genauso gut in dieses Ding blasen, und niemand würde etwas merken.«
Prody tat, als hätte er sie nicht gehört. »Ich muss Sie auffordern, mir eine Atemprobe für einen Alkoholschnelltest zu überlassen. Dazu bin ich bevollmächtigt nach...«
»Schon okay«, sagte sie und riss ihm das Gerät aus der Hand. »Ich kenne die verdammte Übung.«
Er wollte protestieren, aber sie baute sich vor ihm auf und blies gleichmäßig in das Röhrchen, ohne ihn aus den Augen zu lassen; sie zählte im Kopf bis fünf, und dann klickte das Gerät und piepte zweimal. Sie nahm das Röhrchen aus dem Mund und schaute auf das Display. »ANALYSE LÄUFT«, stand da.
»Bitte«, sagte sie gepresst, reichte ihm das Gerät und setzte sich auf das Sofa. Sie beobachtete, wie er das Display studierte,
und sie hasste ihn. Ein paar Sekunden vergingen, und das Gerät piepte wieder. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Er beugte sich über den Tisch und zeigte ihr die Anzeige.
»ZERO«, stand da.
Sie rang sich ein Lächeln ab. Gern hätte sie etwas gesagt, zum Beispiel: »Geschieht dir recht, du Arsch mit Ohren.« Aber das behielt sie für sich. Besser, man verdarb es sich nicht mit den Verkehrspolizisten, den Autobahnaffen. Wirklich, das war besser. Also wartete sie, bis er seine Sachen wieder verstaut hatte. Dann stand sie auf, hielt ihm die Tür auf und wies ihm mit höflich ausgestreckter Hand den Weg hinaus.
Zehn Minuten waren vergangen, und Cafferys Körper war so angespannt, dass es anfing wehzutun. Er öffnete die Augen und richtete sich ein wenig auf. Der Mond war über den Himmel gewandert, aber der Walking Man hatte sich nicht von der Stelle gerührt, saß auf seiner Schaumstoffrolle und starrte ausdruckslos ins Feuer, als hätte er vergessen, dass noch jemand da war.
»Ich habe nachgedacht.« Caffery räusperte sich. »Sie erinnern sich, dass Sie mir gesagt haben, ich suche den Tod?«
Der Walking Man reagierte nicht. Caffery rappelte sich mühsam auf. Er spürte die Kälte in den Knochen und eine große Müdigkeit. Er schaute hinunter auf den Walking Mann, der immer noch nicht erkennen ließ, dass er etwas gehört hatte. Er nahm die Schlüssel aus der Tasche, klimperte ein bisschen damit und wartete auf eine Reaktion. Der Walking Man wischte sich über die Augen, als wären da Tränen, aber seine Miene blieb unverändert - starr und distanziert, als befände er sich ganz woanders.
»Was sollte das bedeuten?«, fragte Caffery in ruhigerem Ton. »Es geht mir nicht aus dem Kopf, dass ich den Tod suche. Was sollte das bedeuten? Sie haben gesagt, Sie sind genauso, sie suchen auch nach dem Tod.«
Der Walking Man rührte sich nicht. In seinen dunklen Augen spiegelten sich die verlöschenden Flammen.
Caffery bückte sich, um seinen Becher an das Feuer zu stellen. Er hatte sich aufgerichtet und zum Gehen gewandt, als eine Hand sich um seinen Knöchel schloss. Überrascht fuhr er herum. Der Walking Man lag ausgestreckt wie eine Schlange am Boden, das Gesicht zu ihm erhoben. Die angespannten Sehnen an seinem Hals warfen dunkle Schatten, und das Mondlicht schimmerte in seinen Augen.
»Der Tod und ich sind die besten Freunde«, zischte er. »Ich kenne den Tod besser als irgendetwas anderes.«
»Was?«
»Sehen Sie es nicht in meinen Augen? Sehen Sie nicht, wie vertraut ich mit dem Tod bin?«
»Hey.« Caffery schüttelte sein Bein; der klammerartige Griff gefiel ihm nicht. Er spürte, wie die schwarzen Fingernägel sich in seine Haut bohrten. »Lassen Sie los.«
Aber der Walking Man hörte
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