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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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in Rage zu bringen. Er war ein Cop, der nicht wusste, wo man aufhörte, wenn er einmal beschlossen hatte, »nach Vorschrift« zu handeln. Wenn er wirklich richtig sauer war, würde er vielleicht sogar einen Alkoholtest machen wollen. Und da war noch das Ibogain. Das verdammte Ibogain. Vielleicht würde es ihr einen Streich spielen, und der Test fiele positiv aus. »Blöd«, zischte sie. Mit dem Atemtest konnte man nur Alkohol nachweisen, aber sie kannte die wissenschaftlichen Grundlagen nicht, und was wäre, wenn - wenn das Ibogain etwas auslöste, irgendeine chemische Reaktion?
    Rasch füllte sie die Kanne. Dann ging sie in der Küche umher, suchte Teller, Tassen, Teelöffel und Tupperdosen mit Keksen und versuchte, sich normal zu benehmen. Doch als der Tee 
    fertig war und sie ein paar Ingwerkekse auf einen der Cream- ware-Teller ihrer Mutter gelegt hatte, zitterten ihre Hände. Die Kekse rutschten auf dem Teller herum, als sie sie ins Wohnzimmer trug.
    »Sie haben mich wirklich nicht gesehen?« Prody im Wohnzimmer hatte sich ein bisschen beruhigt. Er atmete langsamer, und sein Gesicht wirkte im Licht der Tischlampe normal. »Es ist bloß so, wissen Sie - ich bin von der Ampel in Freshford an mit Blaulicht gefahren. Und Sie haben mich trotzdem nicht gesehen?«
    Sie stellte die Kekse und den Tee ab, setzte sich in den Sessel und legte die Finger über die Augen. Eine Zeit lang hörte man nichts als das Ticken der Uhr auf dem Kaminsims. Als ihr Herz wieder langsamer schlug, ließ sie die Hände sinken und zwang sich, leise und ruhig zu sprechen: »Wissen Sie, ich glaube, ich werde meine halbjährliche psychologische Beratung vorverlegen lassen. Ich meine, es wird allmählich verrückt.« Sie sah ihn an. »Sie haben keine psychologische Betreuung bei der Verkehrspolizei, oder?«
    »Nein, aber ich weiß, was Ihre Truppe macht. Ich hab gehört, wie es in Thailand war - all die Leichen und die vielen Leute, die Sie nie finden würden. Wundert mich nicht, dass Sie da mit jemandem reden müssen.« Er aß einen Keks und beugte sich vor, um noch einen zu nehmen. Seine Leuchtweste knarrte. »Das Schlimmste sind wohl immer die Kinder, vermute ich. Man fragt sich, wie die Eltern damit fertig werden.«
    »Ja. Stimmt.«
    »Waren viele Kinder dabei in Thailand, oder? Viele kleine.«
    »Ziemlich viele.«
    »Die Verletzungen an den Kindern, ich wette, die waren furchtbar. Ein schrecklicher Anblick für die Eltern.«
    »Ja, das ist wahr.« Sie schwieg kurz und fragte dann: »Sie wissen, dass wir kürzlich ein Paar Hände aus dem Hafen gefischt haben, oder?«  

    »Hände? Nein. Zu uns sickert nicht mehr viel durch.«
    »Na, aber es war so. Zwei Hände waren unter einem der Restaurants dort vergraben. Und aus irgendeinem Grund ist mir das an die Nieren gegangen. Man sollte meinen, bei all dem, was ich gesehen habe, in Thailand und anderswo, die Kinder und das alles...«
    »Ja, die Kinder...«
    »Man sollte meinen, es ist leichter, einen Körperteil heraufzuholen als eine ganze Leiche. Oder?«
    »Das würde ich denken, ja.«
    »Deshalb frage ich mich, wieso haut mich ausgerechnet das jetzt um? Diese Hände?« Sie drehte den Kopf hin und her und tat, als wäre ihr Nacken verspannt. »Vielleicht hat sich da auch nur alles aufgestaut und kommt jetzt heraus. Möglicherweise hat es auch gar nichts mit den Händen, sondern mit den letzten paar Jahren zu tun. Ich weiß nur...« Sie legte eine Hand auf ihren Kopf. »Ich spüre hier so einen Druck. Und wenn der kommt, kann ich manchmal nicht mal mein Gesicht im Spiegel sehen.« Sie schaute ihm in die Augen und fragte sich, ob er schon weich wurde. Sie hatte den Eindruck, dass sich etwas in seinem Gesicht entspannte. »Ehrlich gesagt, Sie sollten mich festnehmen. Buchten Sie mich über Nacht ein. Das wird mir guttun.«
    »Das Gefühl kenne ich, Sarge. Einfach mal die Chance haben, für einen oder zwei Tage auszusteigen - das würde uns allen guttun.« Er lächelte, und sie lächelte zurück und spürte, wie ihr ein kleiner Stein vom Herzen fiel. Sie hatte ihn geknackt. Gerade wollte sie sich hinüberbeugen und ihm noch einen Keks anbieten, als er auf dem Sofa zur Seite rutschte und einen Notizblock und das Alkotestgerät aus der Tasche zog. Sie erstarrte in ihrer Bewegung und fixierte das Gerät.
    »Ich sag Ihnen, was wir machen.« Er klopfte sich mit seinem Stift an die Schläfe und dachte nach. »Ich habe keine Geschwindigkeitsübertretung gemeldet, aber die Zentrale weiß, 
    dass ich Sie

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