Ritualmord
Pflanzenwurzel - die Wurzel der Tabernanthe Iboga. Ibogain. Bis heute hatte er noch nie davon gehört. Aber irgendwie stellte sie eine Verbindung zu dem her, was Mossy zugestoßen war. Und vielleicht hieß diese Verbindung »Hexerei«.
Er steckte den Stift ein und schob die Broschüre in die Tasche. Er bückte sich, um die Zigarette unter der Bank auszudrücken, als etwas über der Tür seine Aufmerksamkeit erregte. Ein kleines rundes Glas über dem Eingang. Er lächelte erleichtert.
Gott sei Dank, dachte er, zerbröselte den Zigarettenstummel mit den Fingern und verstreute ihn im Rindenmulch. Gott sei Dank für eine bescheidene kleine Überwachungskamera.
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18. Mai
Als Flea aufwachte, stand die Sonne hoch über Solsbury Hill, flirrend heiß und orangegelb über dem Kamm einer turmhohen Wolkenbank. Die Luft war schwül und drückend, und ihr Kopf fühlte sich dumpf an. Sie hatte nur fünf Stunden geschlafen. Als sie am Abend zuvor hinaufgegangen war, um mit Thom zu sprechen, war er weg gewesen. Verschwunden. Auch seine alte Karre war fort; offenbar hatte der kleine Scheißer sich hinausgeschlichen, die Handbremse gelöst und war den Hang hinuntergerollt, ganz leise, damit Prody ihn nicht hörte. Eine Stunde lang hatte sie versucht, ihn anzurufen. Als sie schließlich aufgab und sich damit abfand, dass er sich nicht melden würde, bekam sie solche Kopfschmerzen, dass sie nicht mehr zu Kaiser fahren wollte. Sie hatte zwei Paracetamol genommen und war schlafen gegangen. Doch als sie aufwachte, waren die Kopfschmerzen noch da, ebenso wie alles andere: das beunruhigende Gefühl, dass das Ibogain sie wirklich mit den Toten habe kommunizieren lassen, wie von Kaiser vorhergesagt. Sie musste zu ihm und ihn fragen, ob er das wirklich für möglich hielt.
Sie hatte eine Nachricht auf dem Handy: Das Team wollte sie an ihrem freien Tag nicht behelligen, aber sie sollte doch wissen, dass es heute in der Nähe der Grenze nach Wiltshire arbeiten würde, wo eine Prominente spurlos verschwunden war. Misty Kitson, die äußerst hübsche, von ihrem Mann getrennt lebende Ehefrau eines Spitzenliga-Fußballspielers, war irgendwann nach fünfzehn Uhr am vergangenen Nachmittag aus einer privaten Rehaklinik verschwunden. Der polizeiliche Fahndungsberater hatte die Suchparameter aufgestellt, und beim Betrachten der Karte war ihm als Erstes ein zwei Meilen
weit von der Rehaklinik entfernter großer künstlicher See aufgefallen. Das genügte, um die Unterwassersucheinheit anzufordern. Vielleicht würde dieser Fall so sexy und öffentlichkeitswirksam werden wie noch keiner bisher, aber Flea interessierte sich nicht für verschwundene Promis. Sollte das Team sich darum kümmern. Sie musste Kaiser eine Frage stellen. Sie löschte die Nachricht, duschte und zog sich schnell an. Dann stieg sie in den Wagen und war um halb zehn schon auf dem Weg in die Mendips.
Doch das Schicksal ließ sie nicht so einfach davonkommen. Sie hatte die M5 zur Hälfte hinter sich, als das Telefon auf der Ablage klingelte. Sie erkannte die Handynummer der Einheit auf dem Display, und einen Moment lang erwog sie, sich einfach nicht zu melden. Aber dann knurrte sie: »Fuck, fuck, fuck« und drückte auf die Annahmetaste. Es meldete sich ein Corporal der Einheit.
»Was wollen Sie? Ich hab Urlaub. Das wissen Sie.«
Er räusperte sich. »Ich weiß, Sarge, aber ich finde, Sie sollten wirklich herkommen. Es ist wichtig.«
»Auf keinen Fall. Bloß weil sie ein Promi ist, ist sie auch nicht wichtiger als andere Leute. Kümmern Sie sich allein drum.«
»Es geht nicht um sie, Sarge.«
»Nicht um sie? Um wen dann?«
Eine kurze Pause. »Um Dundas, Sarge.«
»Dundas?« Dundas führte heute die Aufsicht, er hatte sie noch nie im Stich gelassen.
»Sorry, Sarge«, sagte der Corporal. »Er spricht nicht mit uns. Ich glaube, es wäre besser, wenn Sie herkommen, das ist alles.«
Und so wendete sie und fuhr - ständig vor sich hin fluchend - auf der M5 zurück und dann über die M4 bis zum Einsatzort. Die Avon and Somerset Police hatte den Fall übernommen, weil die Rehaklinik, Farleigh Wood Hall, weit draußen
auf dem Land lag, ein kleines Stück westlich der Grenze nach Wiltshire. Als sie dort ankam und langsam am Tor vorbeifuhr, sah sie, dass das alte pseudogotische Gebäude bereits von Reportern belagert wurde. Die Rehaklinik hatte eine private Sicherheitsfirma beauftragt, sie in Schach zu halten: Männer mit Headsets und Sonnenbrillen nach Art des
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